Whiskygenuss in Baden-Württemberg
Zwischen Alb und Bodensee
Wer denkt, Baden-Württemberg sei vor allem das Land des Weins, der Obstbrände und des Bieres, übersieht die wachsende Whiskytradition der Region. Auf den Höhenzügen der Schwäbischen Alb, in ehemaligen Mühlen, zwischen Streuobstwiesen, Brauereikellern und dem milden Bodenseeklima entstehen charaktervolle Tropfen. Geprägt von ihrer Herkunft, ihren Machern und handwerklicher Tradition. Dieser Artikel führt zu ausgewählten Brennereien, die diese Entwicklung mit ganz eigener Handschrift vorantreiben. Eine Reise zu Menschen, die mit Leidenschaft, Präzision und Geduld zeigen, was Whisky aus Baden-Württemberg heute sein kann.
Finch – Whisky vom Dach der Alb
Die Albhochfläche bei Heroldstatt ist ein Ort der Weite. Auf knapp 800 Metern über dem Meeresspiegel liegt das Land offen und frei. Durchzogen von Feldern, Wäldern und Wind. Es ist ein karges, ehrliches Terrain – und genau hier wächst der Rohstoff für einen bekannten deutschen Whiskys: den Schwäbischen Hochland Whisky der Brennerei Finch. Die Destillerie von Hans-Gerhard Fink ist eine feste Größe in der deutschen Whiskywelt. Sie verbindet die Grundpfeiler schwäbischen Selbstverständnisses – Unabhängigkeit, Innovationsfreude und Bodenhaftung – mit einem tiefen Verständnis für Landwirtschaft, Brennkunst und Fassreifung. Hans-Gerhard Fink ist nicht nur Brenner, sondern auch Landwirt. Und das ist kein Nebenaspekt, sondern zugleich die Grundlage seiner Whisky-Philosophie. Die Gerste, der Dinkel, der Emmer – sie stammen von den eigenen Feldern. „Dinkel war einst das wichtigste Brotgetreide der Schwäbischen Alb“, erklärt Fink. „Das ist ein Stück Heimat in meiner Whiskyproduktion.“ Diese Herkunft ist nicht nur emotional, sondern auch sensorisch spürbar. Die Getreidesorten prägen die Stilistik – jede auf ihre Weise. Gebrannt wird auf einer traditionellen Pot Still, mit 3000l-Volumen, unabhängig vom Korn. „Der Rest ist Geschmackssache“, meint Hans-Gerhard Fink. Seine Whiskypalette umfasst daher sowohl Single Malts als auch Single Grains – nicht als Abgrenzung, sondern als Einladung zur Vielfalt. Die klimatischen Bedingungen auf der Alb sind fordernd. Und genau darin liegt ihre Stärke. Extreme Temperaturschwankungen, trockene Luft und klare Jahreszeiten sorgen für eine intensive Fassatmung. Der Angel’s Share liegt bei 3,5 bis 4 Prozent. Ein Zeichen für die Dynamik im Fasslager – oder dafür, dass der Finch Whisky auch den Engeln hervorragend schmeckt. Bei Finch können sich auch Besucher ein Bild von der Produktion machen und die Finch Whiskys kennenlernen. In einem aufwendig restaurierten Gebäude ist alles vereint: Destille, Shop, Lager. Und welcher Dram ist nun der persönliche Favorit des Brenners? Fink lacht: „Wenn ein Vater fünf Töchter hat, welche empfiehlt er dann?“ Am Ende bleibt es eine Frage der Stimmung – und des Moments.
Marder – Leise Töne, tiefer Klang
Wer nach Albbruck kommt, ganz in den Süden Baden-Württembergs, spürt sofort die Nähe zu den Alpen – und die Ruhe einer Region, die sich nicht in den Vordergrund drängt. Zwischen bewaldeten Hängen, Obstgärten und Weideflächen liegt die Brennerei Marder Edelbrände – ein Familienbetrieb mit langer Tradition im Obstbrand. Still und konsequent hat man sich hier aber auch in die Whiskywelt vorgearbeitet. Ohne großes Aufsehen, dafür mit Geschmack und Haltung. Was Stefan Marder antreibt, ist Neugier – und das Bedürfnis, zu zeigen, „dass wir das auch können.“ Whisky war für ihn dabei nie ein Showprojekt, sondern eine Erweiterung der handwerklichen Praxis. Und so ist vieles bei Marder genau beobachtet, fein abgestimmt, mit Leidenschaft betreut – vom Gerstenmalz über die Fassauswahl bis zur Abfüllung. Gebrannt wird in kleinen Chargen, gelagert in mittlerweile rund 220 Fässern. Nicht spektakuläre Größe, aber bemerkenswerte Vielfalt und Eigenständigkeit stehen dabei im Fokus. Die Reifung ist das kreative Herzstück der Marder Whiskys. Neben Portweinfässern aus einer Bodega in Porto experimentiert Marder mit Weißweinfässern, Amarone oder auch Laphroiag Quarter Casks. Ganz besonders angetan hat es Stefan Marder eine seiner frühen Abfüllungen aus einem Chardonnay-Fass – elegant, fruchtbetont, subtil gereift. Aber auch für die Zukunft sind ausdrucksstarke Einzelfassabfüllungen mit individuellem Charakter und Wiedererkennungswert in der Pipeline. Aber das Fass ist nicht alles, was einen guten Whisky ausmacht. Bei Marder spielt auch das Klima mit. Die Region rund um Albbruck ist geprägt von starken Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht – ideale Bedingungen für eine aktive Reifung. „Wir liegen nur wenige Kilometer südlich vom 1.500 Meter hohen Feldberg – und gleichzeitig auf nur 300 Metern über dem Meer.“ Diese Dynamik wirkt sich auch auf den Whisky aus. Für die kommenden Jahre kündigt der Brennerei-Chef weitere Einzelfassabfüllungen an. Ganz im Marder-Stil: klar, kontrolliert, charaktervoll und ohne die großen Töne.
Scheibel – Whisky mit Herzschlag
Ein altes Mühlengebäude am Rande des Schwarzwaldes. Ein rauschender Bach, der unter dem Haus hindurchfließt. Holzbalken, Transmissionen, Mehlsackrutschen – Relikte aus einer anderen Zeit. Und mittendrin: eine moderne Whiskybrennerei. Die Scheibel Whisky Mühle in Kappelrodeck ist ein Ort, an dem Geschichte, Handwerk und Innovation eine besondere Verbindung eingehen. Ursprünglich als Getreidemühle genutzt und in Familienbesitz seit 1890, wurde das Gebäude über Jahrzehnte stillgelegt – ein Dornröschenschlaf, der erst durch eine mutige Entscheidung beendet wurde: Sie wurde zu einem Ort für flüssiges Handwerk. Die Initialzündung kam durch den Erfolg des fassgelagerten Wodkas „it's woodka“ – und den wachsenden Wunsch nach einem eigenen Whisky. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Die Whisky Mühle ist ein Erlebnisort. Besucher können direkt vom Verkaufsraum aus in die Produktion blicken, an geführten Verkostungen teilnehmen und durch die denkmalgeschützten Räume schlendern. Architektur, Materialität und Lichtgestaltung machen aus einem Besuch ein echtes Whisky-Erlebnis. Scheibel kann auf über 100 Jahre Brenntradition und eine gewachsene Kompetenz im Fassausbau zurückgreifen – nicht nur durch den Whisky, sondern vor allem durch die hauseigenen Obstbrände. Diese Kompetenz zeigt sich in den Finishes: Ex-Marillenfass, Cherry-Brandy-Cask – was andernorts ausgefallen klingt, ist hier Teil der eigenen Geschichte. Gleichzeitig musste das Team zu Beginn auch dazulernen: Welche Fassgrößen, Toastings, Holzarten braucht es für den gewünschten Whisky-Stil? Die Antwort liegt heute in rund 300 Fässern, die stilistisch wie geografisch eine klare Linie verfolgen: Schwarzwälder Whisky – vielschichtig, authentisch, präzise komponiert. Die Region hat den Anspruch an das Produkt geprägt – durch ihr Klima, ihre Brenntradition, ihre Zurückhaltung. Oder wie Michael Scheibel sagt: „Zwei Dinge muss ein guter Whisky können: eine Geschichte erzählen – und ein Geheimnis für sich behalten.“
Brigantia 1. Bodensee Whisky Destillerie
Bei Steinhauser handelt es sich um einen echten Familienbetrieb. Zur Destillerie gehören Martin und Karin Steinhauser sowie die Söhne Christian und Moritz, unterstützt durch das Team. Neben dem Brigantia Whisky werden auch hochwertige Obstbrände, Gin, Rum und Wein hergestellt. Angefangen hat die Whisky-Produktion im Jahr 2008 und der erste Whisky erschien 2011. Der Classic Whisky bildet den Einstieg in die Range von BRIGANTIA. Nach und nach kamen jedoch weitere Abfüllungen hinzu und nun umfasst die Range zwölf Whiskys und streng limitierte Abfüllungen. Zu dieser Range gehören unter anderem vier Finishes, die ihre Endreifung in verschiedenen Fässern wie Rum, Gin, Sherry und Islay vollendet haben. Aber auch Single Cask Abfüllungen in Fassstärke werden abgefüllt, die immer sehr schnell vergriffen sind. Neu hinzugekommen ist u.a. eine Abfüllung, der „Brigantia Aged 12 Years Sherry Single Cask No. 724“, ein zwölf Jahre alter Single Malt, voll in einem Ex-Sherry Cask gereift, naturbelassen mit 54 % Vol., limitiert auf 377 Flaschen.
Wer einen Ausflug an den Bodensee macht, dem sei zudem die Erlebniswelt von BRIGANTIA in Kressbronn empfohlen – hier lässt sich die Whisky-Welt der Brigantia Destillerie erleben. Es werden wöchentliche Führungen jeweils dienstags und donnerstags angeboten, inklusive Blick hinter die Kulissen der historischen Brennerei, Inspektion des Fasslagers dem Whisky-Stadl“ und einer Verkostung von zwei Single Malt Whiskys.
Besonders erwähnenswert ist die „MS-Schwaben Edition “ – ein Whisky von BRIGANTIA, der im Bug des historischen Linienschiffs „MS Schwaben“ reift. Nach etwa vier Jahren in Eichenholzfässern wird er ein weiteres Jahr im Bug der MS Schwaben gelagert, wodurch die stetigen Bewegungen und Temperaturschwankungen ihm eine besondere Tiefe und
angenehme Süße verleihen.
Tecker – Am Trauf gereift
Der Albtrauf erhebt sich markant über die Ebene. Dort, wo sich die Schwäbische Alb und Vorland begegnen, liegt Owen – und mit ihm die Heimat von Tecker Whisky, benannt nach der nahen Burg Teck. Die Landschaft hier ist geprägt von Streuobstwiesen, Waldsäumen und schroffen Felskanten – eine Region mit rauem Reiz und großer Klarheit. Und genau das spiegelt sich auch in den Whiskys der Familie Gruel. Seit den 1920er-Jahren wird im Haus gebrannt – ursprünglich Obst. Doch eine Schottlandreise von Großvater Christian Gruel im Jahr 1979 veränderte alles: Von der Idee inspiriert, auf der Alb Whisky herzustellen, begann die Familie mit ersten Versuchen. Was daraus entstand, ist heute eine der traditionsreichsten Whiskybrennereien Süddeutschlands. Dass Tecker ein Familienbetrieb ist, merkt man schnell. Die größten Herausforderungen? Lagerkapazitäten, Kapitalbindung, Unsicherheit. Aber der Whisky ist das allemal wert. Im Fokus stehen Qualität und Nähe. Besucher sind jederzeit im kleinen Shop willkommen – im besten Fall mit vorheriger Ankündigung. Außerdem gibt es Führungen mit anschließenden Tastings. „Das Highlight ist unser Schwäbischer Whiskywalk“, erklärt Immanuel Gruel. „Hier kann man außer unserer Brennerei noch zwei weitere besuchen.“
So fügt sich auch Tecker in das Bild einer Whiskyregion, die nicht laut auftritt, aber nachhaltig Eindruck hinterlässt. Baden-Württemberg ist in der Whiskywelt angekommen. Leise, selbstbewusst und unverwechselbar.
finch® Whisky
(Heroldstatt)
Inzwischen lagern über 6.000 Fässer in den Finch Warehouses – alle in überirdischen Bunkern, viele davon auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots, das Fink erworben hat. Die Reifezeit liegt mittlerweile bei zehn Jahren und mehr. In einem Markt, der oft auf junge Whiskys setzt, geht Finch bewusst einen anderen Weg. Die Tiefe kommt mit der Zeit – und mit Geduld. Dass sich der Aufwand lohnt, zeigen auch die internationalen Erfolge. 2025 wurde der 10-jährige Distiller’s Choice Dinkel Port Cask bei den World Whisky Awards als Bester Deutscher Grain Whisky ausgezeichnet. Eine Bestätigung – aber auch ein Ansporn. Denn Hans-Gerhard Fink ruht sich nicht auf Lorbeeren aus. „Ich habe einen großen Vorrat an selbst destillierten Fässern“, sagt er. Bis zu 16 Jahre alt – das ist eine Ansage im deutschen Whisky.
Marder Whisky
(Albbruck)
Trotz des experimentellen Fassmanagements bleibt Marder dem Schwarzwald verbunden. Das Malz stammt von einer Brauerei aus der Nachbarschaft, das Wasser aus weichen Schwarzwaldquellen. „Das sind unsere größten Schätze“, sagt Stefan Marder. Man spürt: Die Herkunft ist hier keine Marketingidee, sondern gelebter Alltag. Auch die Zurückhaltung ist Teil dieser Haltung. Öffentlich wurde das Whiskyprojekt der Edelbrennerei erst, als die ersten Abfüllungen erhältlich waren. Fast alle Schritte übernimmt Stefan Marder selbst – vom Brennkessel bis zur Etikettierung. Unterstützung gibt es nur durch den Senior. „Zum Glück ist jeder Schritt für mich spannend – es macht einfach Spaß“, erklärt Stefan Marder. Dass die Whiskyliebhaber seine Arbeit zu schätzen wissen, zeigt sich bei Tastings und Führungen. „Whiskyfans wollen alles wissen: Woher ist der Rohstoff, wie wird gemaischt, wie ist die Lagerung, und wo in welchen Fässern. Die Fragen sind unzählig.“
Scheibel EMILL Single Malt
(Kappelrodeck)
Der EMILL Single Malt, benannt nach dem 1899 geborenen Brennereigründer Emil Scheibel, wird in kleinen Chargen hergestellt. Mit Strom aus der originalen Wasserturbine aus den 1950er Jahren. Die Fässer reifen auf vier Etagen – jede mit eigenem Mikroklima. Unter dem Dach können es bis zu 45 Grad werden, im Winter fällt das Thermometer auf unter Minus 10 Grad. Diese Temperatursprünge sorgen für eine aktive Fassatmung – und geben dem Whisky seinen unverwechselbaren „Herzschlag“. Dass auch die Produktnamen das Thema Handwerk aufgreifen, ist kein Zufall: „Kraftwerk“ steht für Fassstärke, „Feinwerk“ für Eleganz, „Stockwerk“ für vertikale Cuvées und „Zeitwerk“ für Reife. Ergänzt wird das Sortiment durch experimentelle Finishes („Spielwerk“) und einen Whisky-Likör („Engelswerk“). Regionalität endet bei Scheibel nicht am Lagertor, sondern setzt sich konsequent im Markenbild fort.
Brigantia 1. Bodensee-Whisky Destillerie
(Kressbronn)
Die Brigantia 1. Bodensee-Whisky Destillerie produziert seit dem Jahr 2008 Whisky. Im Jahr 2011 wurde dann der erste BRIGANTIA® Whisky abgefüllt. Zu fast jedem der Produkte gibt es eine Geschichte zu erzählen. Manches mag vielleicht ein bisschen verrückt klingen, doch der Erfolg der Traditionsbrennerei spricht für sich. Destillateur Martin Steinhauser steht zusammen mit seinen Söhnen Moritz und Christian für die hochwertigen Whiskys vom Bodensee, die bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten haben. Darunter die Goldmedaille für die 12-jährige Edition bei „Germany‘s Best Whisky Awards“ oder die Auszeichnung zur Destillerie des Jahres 2024 beim „German Whisky Award“. Aktuell sorgt eine neue Peat Lake Edition für Furore. Ein Whisky-Club und das beliebte Private Cask Programm ergänzen das umfangreiche Angebot.
Tecker Whisky
(Owen, Teck)
Das Lager von Tecker liegt unmittelbar am Fuß der Alb – mit klimatischen Bedingungen, die extremer kaum sein könnten: minus zehn Grad im Winter, bis zu fünfzig im Sommer. Diese gewaltigen Temperaturschwankungen beeinflussen die Fassatmung im Lagerhaus – und damit die Reifung auf intensive Weise. Gereift wird in einer Vielzahl von vorbelegten Fässern. Ex-Bourbon, Port, Sherry – aber auch Amarone und Ex-Islay Casks sorgen für spannungsreiche Kombinationen. Besonders die Kombination aus fruchtiger Süße und dezentem Rauch überzeugt Immanuel Gruel.
Rothaus Blackforest Single Malt Whisky
(Grafenhausen-Rothaus)
Bei Rothaus im Hochschwarzwald wird der Rothaus Blackforest Single Malt Whisky aus speziellem Malz und unserem besonders weichen Brauwasser gemaischt und vergoren, das auch für die begehrte Biermarke verwendet wird. Der spätere Whisky wird dann in kleinen Kupferbrennblasen unter der Aufsicht der Destillerie Kammer-Kirsch zweifach destilliert. In den temperaturbeständigen ehemals zu einer Brauerei gehörenden Kellern reift der Whisky in Ex-Bourbon-Whisky Fässern aus weißer Eiche bis zu seiner Vollendung. Auf seine Alkoholstärke wurde er mit Brauwasser aus Rothaus eingestellt. 2026 schreibt Rothaus nun ein Jubiläumskapitel mit Rothaus-Single-Malt-Whiskys in einer streng limitierten Single-Cask-Share-Editionen, zwölf Monate, zwölf Whiskys in einer exklusive Sammlerreise durch das Jahr 2026.