Der verbotene Genuss: Prohibition in Film und Serie

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Wie viel einem etwas bedeutet, merkt man oft erst, wenn man es nicht mehr hat. Da dies jedoch keine Kolumne über Liebe, sondern über Whisky ist, geht es im folgenden Text auch nicht um Trennung oder den Tod, sondern um den (historischen) Verlust von Alkohol – genau genommen um die Prohibition. Von Julien S. Schwarz und Daniel Wagner.

 

Das Hauptaugenmerk soll dabei natürlich auf dem wohl bekanntesten, weil auch spannendsten Verbot der Geschichte liegen. Denn die Alkoholprohibition der Vereinigten Staaten der 1920er- und 30er-Jahre verursachte nicht nur gravierende gesellschaftspolitische Einschnitte, sondern brachte auch zahlreiche sehenswerte Filme und Serien hervor.

 

Das 1920 mit der Verabschiedung des 18. Zusatzes der Verfassung der Vereinigten Staaten erlassene Verbot markierte das Untersagen der Herstellung, des Verkaufs und des Transports alkoholischer Getränke und zielte darauf ab, gesellschaftliche Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum (wie etwa Kriminalität, Korruption und häusliche Gewalt) einzudämmen. Die unbeabsichtigten Folgen dieses landesweiten Alkoholverbots wurden jedoch ironischerweise zu einem fruchtbaren Boden für ebendiese illegale Handlungen.

 

Kein Wunder, dass diese abwechslungsreiche Zeit spannende Vorlagen für Erzählungen in Büchern, aber auch auf der Leinwand boten. Gerade im bis heute oft verklärten Genre des Gangsterfilms fanden sich wiederholt Reflexionen der Prohibition wieder. Inhaltlich gab es meist Parallelen, da sich die Filme häufig auf ein bestimmtes Milieu konzentrierten. So war das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gangster und Polizei geprägt von zeitgenössischen Kostümen, Fahrzeugen und auch Handlungsorten. Letztere spiegelten sich etwa im pulsierenden Nachtleben illegaler Kneipen oder Jazzklubs wieder. Nicht selten findet man sich als Zuschauer in den italienischen Communities Chicagos oder New Yorks wieder. Grund dafür war nicht nur die allgemein recht oft vorherrschende Korrelation zwischen Gangstertum/Mafia und italienischen Wurzeln, sondern auch der damals bekannteste und berüchtigtste „Mobster“ der amerikanischen organisierten Kriminalität: Al Capone.

 

Da Gangster, Serienmörder und Psychopathen seit jeher eine große Faszination für einen Großteil der Gesellschaft ausstrahlen, ist auch die Ikonisierung von Al Capone keine Überraschung. Der neben illegalem Alkoholhandel auch auf Schutzgelderpressung, Prostitution und Glücksspiel spezialisierte Gangsterboss bekam bereits zwölf Jahre nach seinem Tod mit dem gleichnamigen Biopic AL CAPONE (1959) ein erstes filmisches „Denkmal“ gesetzt. 1967 (CHICAGO-MASSAKER) und 1975 (CAPONE) folgten weitere, heute eher unbekannte Verfilmungen seines Lebens. In den 80er-Jahren sollten jedoch zwei bis heute als Klassiker geltende Filme von Regisseur Brian De Palma folgen, in denen Capone und die Prohibition zumindest eine wichtige Rolle spielen: Während in SCARFACE (1983; gleichnamige Neuverfilmung des Films von 1932) die von Al Pacino gespielte Hauptfigur Tony Montana stark an Al Capone angelehnt ist, wird in DIE UNBESTECHLICHEN (1987) explizit auf ihn Bezug genommen (hier von Robert De Niro verkörpert).

 

Eine recht ähnliche „Karriere“ wie Capone legte auch John Dillinger hin, den das FBI als erste Person überhaupt zum „Staatsfeind Nr. 1“ erklärte. Auch wenn sein Spezialgebiet eher Bankraub war, kam Dillinger hin und wieder auch mit Alkoholschmuggel in Kontakt – eindrücklich zu sehen in PUBLIC ENEMIES (2009) von Michael Mann. Weitere Beispiele aus dieser Kategorie wären etwa auch ES WAR EINMAL IN AMERIKA (1984) von Sergio Leone oder MILLER`S CROSSING (1990) von den Coen-Brüdern. Die Thematisierung der Prohibition resultiert hier aber ebenfalls eher aus der Überschneidung mit der Handlungszeit und dem „illegalen Portfolio“ des behandelten Gangstermilieus.

 

Während diese Filme vornehmlich aus der Sicht ihrer Gangster-Lichtgestalten erzählten, versuchten sich andere Filmemacher auch an der Perspektive der Strafverfolgungsbehörden. Werke wie ROAD TO PERDITION (2002) mit Tom Hanks oder LAWLESS (2012) mit Tom Hardy befassen sich mit den Herausforderungen, denen sich diejenigen gegenübersehen, die versuchen, Prohibitionsgesetze durchzusetzen. Dabei verwischen oft die Grenzen zwischen richtig und falsch, da die Filme nicht pauschal urteilen, sondern auch Fragen nach Moral und dem Sinn der Gesetze in den Raum stellen. Die Prohibition wurde jedoch nicht nur mithilfe der düsteren Gangsterwelt filmisch verwertet. So zeigen etwa die Verfilmungen von F. Scott Fitzgeralds „The Great Gatsby“ auch die glamouröse Seite der Prohibition, wo sich Prominente und Gangster gleichermaßen versammelten, um die eigentlich gesetzlich verbotenen Drinks zu genießen.

 

Diese Divergenz von Opulenz und Rebellion schafft so eine fesselnde Kulisse für Geschichten rund um Prohibition und bekräftigt zugleich den Widersprüchen einer Gesellschaft, die ihren eigenen moralischen Kompass auslotet. Davon zeugen nicht nur die genannten Filme, sondern auch die wohl berühmteste Serie zum Thema Prohibition.

 

Bei der Serie BOARDWALK EMPIRE handelt es sich um eine historische Dramaserie, welche die Machenschaften von Enoch „Nucky“ Thompson (gespielt von Steve Buscemi) zur Zeit der Prohibition im Zeitraum von 1920 bis 1931 in Atlantic City behandelt. Die Serie ist eine Adaption des Buches „Boardwalk Empire: The Birth, High Times, and Corruption of Atlantic City“ von Nelson C. Johnson und die Figur Enoch „Nucky“ Thompson basiert auf dem Politiker und Gangster Enoch Lewis „Nucky“ Johnson.

 

Dieser ist eigentlich nur County Treasurer (Kreiskämmerer) von Atlantic City und entstammt einfachen Verhältnissen. Doch durch seinen Ehrgeiz, harte Arbeit, Bestechung und andere illegale Geschäfte konnte er sich zum mächtigsten Mann in Atlantic City hocharbeiten. Er bewohnt eine Suite im achten Stock des Ritz Carlton Hotel an der Promenade der Stadt, hat einen persönlichen Assistenten und besitzt einen Rolls Royce. Sein Bruder ist Sheriff, wodurch die Polizei über alle kriminellen Machenschaften Bescheid weiß, sie duldet und nicht selten auch durchführt. Die Stadträte und sogar der Bürgermeister sind nur Strohmänner, die von Nucky eingesetzt werden, um seine politischen Ziele zu erreichen. Denn obwohl er durch seine aktuellen Geschäfte schon ein sehr angenehmes Leben führt, gibt Nucky sich damit nicht zufrieden. Nach außen ist er ein Mann des Volkes – hält in seiner Suite öffentlich Sprechstunden ab, hat für die normalen Menschen der Stadt immer ein nettes Wort parat und bezeichnet sich selbst als hervorragenden Trinkgeldgeber. Auch im Rahmen der Abstinenzbewegung und der damit einsetzenden Prohibition 1920 ist Nucky ein Befürworter des Alkoholverbots, während der offizielle Beginn der Prohibition in einem seiner Clubs feucht-fröhlich gefeiert wird. Nucky und seine Kompagnons sehen die Prohibition nicht als Problem, sondern als Chance, aus dem illegalen Alkoholhandel ein profitables Geschäft zu machen. Aus diesem Grund trifft sich Nucky schon kurz nach Inkrafttreten der Prohibition mit anderen Kriminellen aus New York und Chicago, um Pläne für einen professionellen Alkoholschmuggel-Ring zu schmieden. Bei den Kriminellen, die an dieser Zusammenkunft teilnehmen, handelt es sich um historische Figuren dieser Zeit. Bei dem von Nucky Thompson organisierten Treffen waren die Mobster Big Jim Colossimo und Johnny Torio des Chicago Outfit und die New Yorker Gangster Charles „Lucky“ Luciano und Arnold Rothstein anwesend. Bei diesem Treffen lernen wir auch einen jungen, ehrgeizigen Kriegsheimkehrer kennen, der dem Chicago Outfit angehört – der am Anfang seiner kriminellen Karriere stehende (und bereits erwähnte) Al Capone.

 

Als Adaption realer Ereignisse und Personen fängt die Serie den Zeitgeist der frühen 1920er nicht nur mit Setdesign, Musik und Kostümen, sondern auch mit den behandelten Themen gut ein. So geht es neben der Prohibition und Abstinenzbewegung sowohl um die Heimkehrer und Veteranen des Ersten Weltkriegs, die Frauenwahlrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten, die Spannungen zwischen ethnischen und sozialen Gruppen und nicht zuletzt auch um die Präsidentschaftswahl 1920.

 

Wie es bei einer Serie, die zur Zeit der Prohibition spielt, nicht anders zu erwarten ist, wird in BOARDWALK EMPIRE in vielen Szenen über Alkohol gesprochen oder ebendieser konsumiert. So beginnt jede Folge etwa mit dem Intro, in welchen Nucky Thompson in der Brandung an der Küste von Atlantic City steht, während eine Unmenge an Whiskeyflaschen an Land gespült werden. Wer genau hinschaut und sich gut auskennt, erkennt, dass es sich bei den Flaschen mit Aufschrift: „Grand Canadian Old Rye Whiskey“, um eine erfundene Marke handelt. Die einzige Whiskeymarke, die in der ersten Staffel erwähnt wird, ist „Canadian Club“, als Nucky einem Deal zum Schmuggel von 500 Kisten „Canadian Club“ direkt von der Brennerei nach Atlantic City zustimmt. Weitere Wege, um an harten Alkohol zu kommen, die in der Serie gezeigt oder besprochen werden, sind beispielsweise illegale Brennbetriebe, bei denen aus Kartoffeln Alkohol gewonnen und mit dem Zusatz von Farbstoff und anderen Mitteln das gewünschte „Produkt“ hergestellt wird.

 

Eine weitere Methode ist das Strecken von hochwertigem Alkohol mit minderwertigem Alkohol. Um hochwertige Produkte anbieten zu können, gibt es auch den Plan, Scotch direkt aus Schottland in die USA zu schmuggeln. Aber auch abseits der illegalen Geschäfte sieht man sehr häufig und zu jeder Gelegenheit Menschen mit einem Drink und sogar Prohibitionsagenten, die der Versuchung anheimfallen.

 

Erdacht und produziert wurde die Serie von Emmypreisträger Terence Winter, der schon bei „Die Sopranos“ als Drehbuchautor und Produzent mitwirkte und auch dort mit Buscemi zusammenarbeitete. Weitere bekannte Namen hinter der Produktion sind Mark Wahlberg, Tim Van Patten und Martin Scorcese, der bei der 18 Million Dollar teuren Pilotfolge Regie führte und bei den weiteren Folgen als Produzent an Bord war. Insgesamt umfasst die Serie 56 Folgen in fünf Staffeln, wodurch man lang und breit mit dem ein oder anderen Dram in die stürmische Phase der Prohibition in den USA eintauchen kann.

Autor

Julien S. Schwarz und Daniel Wagner

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