Weder geschüttelt noch gerührt: Whisky in den James Bond-Filmen
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James Bond und Whisky - eine Verbindung so zeitlos wie die berühmten Worte "geschüttelt, nicht gerührt". Doch während die ikonischen Martinis zweifellos ihren Platz in der Welt des berühmten Geheimagenten haben, gibt es auch eine Vielzahl von Whiskys, die in den Bond-Filmen eine ebenso bedeutende Rolle spielen. Tauchen wir ein in die Gläser und Geschichten hinter Bonds Lieblings-Drams. Von Daniel Wagner.
Zu Beginn lohnt ein Blick auf die literarischen Vorlagen der Reihe. Im Gegensatz zu seinem Film-Gegenstück ist der James Bond der Bücher nämlich sogar eher ein Whisky-Enthusiast. In den Werken von Ian Fleming wird 007 jedoch oft beim Genuss von Bourbon oder Rye anstelle seines heimischen schottischen Tropfens dargestellt. Ganz nach dem Motto „Forget those Martinis“ war der literarische Bond mehr ein Mann der Whisky bzw. auch Cocktails und Longdrinks auf Whiskybasis. Egal, ob Old Fashioned, Sazerac oder klassischer Whisky-Soda – 007 konsumierte Whisky in den Romanvorlagen mitunter in großen Mengen, was nicht selten zu einem Kater am nächsten Morgen führte. Bereits im zweiten Roman „Leben und sterben lassen“ von 1954 genehmigt sich Bond an Bord eines Zugs einen Bourbon in Form eines Old Fashioned:
„The conductor arrived at the same time as the Pullman attendant. Bond ordered Old Fashioneds, and stipulated Old Grand-Dad Bourbon, chicken sandwiches, and decaffeinated Sanka coffee so that their sleep would not be spoilt.”
Doch noch im gleichen Roman zeigt sich, dass 007 durchaus auch dem Scotch zugewandt war, vor allem in Form eines Scotch and Soda. Hier greift er beispielsweise zusammen mit seinem Agenten-Kollegen und Freund Felix Leiter zu einem Haig and Haig Pinchbottle:
„In the famous night spot the stools against the long bar were crowded, but one of the small booths against the wall was empty and Bond and Leiter slipped into the two seats with the narrow table between them. They ordered scotch-and-soda — Haig and Haig Pinchbottle.”
Die Vorliebe für Whisky Soda zieht sich durch Flemings Werke. So gibt er diese Bestellung etwa auch in „Moonraker“, hier mit Black & White Blended Scotch, oder „Dr. No“ (mit Canadian Club Blended Rye) auf. Und auch Bourbon wurde nicht vor Wasser verschont, so nutzt Bond etwa in „Im Dienste Ihrer Majestät“ sowohl I.W. Harper Kentucky Straight Bourbon als auch Jack Daniel’s als Basis für seine Whisky Sodas. Doch zumindest bei seinen zahlreichen internationalen Trips blieb er sich treu. Hier trank 007 bei seinem Abstecher nach Japan sein Wasser natürlich mit Suntory Whisky. Auch wenn er diesem gegenüber vorher eher skeptisch eingestellt war: „I can’t believe Japanese whisky makes a good foundation for anything.”
Whisky als filmisches Stilmittel
Der Übergang von der Buchseite auf die Leinwand brachte dann eine neue Dimension in der Beziehung zwischen Bond und seinem potenziellen Lieblingsgetränk mit sich. Während die Filme die Vorliebe von Bond für Martinis nicht leugnen und diese deutlich präsent(er) ist, hat auch Whisky in der Charakterisierung der Figur eine durchaus prägende Rolle. Die meist edlen Tropfen spiegeln dabei vor allem das Gespür für Stil, die Klasse und die Internationalität des Agenten wider. In GOLDFINGER (1964), eigentlich Flemings siebenter Roman, aber der dritte Teil der Filmreihe, wird die Whisky-Vorliebe von Bond auch auf der Leinwand zum ersten Mal deutlich. Als Bond von Auric Goldfinger – gespielt vom deutschen Gert Fröbe – gefangen genommen wird, fragt er nach einem Scotch, um die Qualität des Getränks zu testen. Diese Szene unterstreicht auf simple Art und Weise vor allem Bonds Fähigkeit, auch unter Druck Gelassenheit zu bewahren.
Über die Jahre entwickelte jeder Bond(-Darsteller) seinen eigenen Drink-Geschmack. Während Sean Connery doch meist zum klassischen Martini griff, Roger Moore auch hin und wieder einen Champagner genoss, griff Timothy Dalton indes auch gern zum Bourbon und Pierce Brosnan zum Scotch. Das hatte jedoch nicht immer nur inhaltliche oder dramaturgische Gründe, sondern manchmal ganz einfach finanzielle. Wie in einer früheren Kolumne bereits erwähnt, ist wohl kaum eine andere Filmreihe so von „Product Placement“ geprägt wie das James Bond-Franchise. Und natürlich lässt man sich in einer fiktiven Welt aus Luxus und Reichtum nicht nur die Platzierung von Sportwagen und teuren Uhren vergolden, sondern auch die von Spirituosen. Im Fall von Moore und seinem Champagner hatte etwa Bollinger seine Hände mit einem Sponsoring im Spiel, im Fall von Dalton Jim Beam und bei Brosnan war es meist Talisker.
Während Whisky über die Jahre zwar immer wieder in den Filmen präsent war, spielte er inhaltlich doch eher eine Nebenrolle. Das änderte sich jedoch spätestens mit SKYFALL (2012). In einer der Schlüsselszenen des Films werden Bond (diesmal gespielt von Daniel Craig) und seine Begleitung von Gegenspieler Silva gefangengenommen und auf dessen verlassene Insel gebracht. Dieser stellt eine Flasche Macallan 1962 auf einen Tisch, die für Bond eine besondere Bedeutung hat. Denn „M“ (Chefin des MI6) hatte sie ihm als eine Art Belohnung geschenkt. In einem grausamen Spiel, welches Silva vorschlägt, sollen Bond und Silva auf ein Glas Whisky schießen, welches auf dem Kopf von Bonds weiblicher Begleitung Sévérine steht. Dieses Spiel dient dazu, Bonds Geschicklichkeit und seine Kontrolle zu testen, während es gleichzeitig Sévérine in Gefahr bringt. Silva verwendet dabei den Whisky nicht nur, um Bond zu manipulieren, indem er eine psychologische Verbindung zu M herstellt, sondern auch, um Macht und Kontrolle auszuüben. Er versucht, Bond zu destabilisieren, indem er ihn mit seiner eigenen Vergangenheit und Loyalität konfrontiert. Der Macallan in dieser Szene steht nicht nur für Luxus und Raffinesse, sondern auch für die Machtspiele und die Manipulation, die der perfide Antagonist Silva ausübt. Er symbolisiert die Verbindung zwischen Bond, M und dem MI6 und wird zum Mittel der psychologischen Kriegsführung. Die Szene ist damit ein Paradebeispiel dafür, wie Gegenstände – und in diesem Fall sogar eine einzelne Flasche Whisky – in Filmen symbolisch aufgeladen werden können, um die Charakterdynamik und die Spannung zu verstärken.
Lizenz zum Mixen
Doch nicht nur der Whisky selbst spielt eine Rolle in den Bond-Filmen, sondern auch die Art und Weise, wo und wie er serviert wird. Ob in einem eleganten Casino, einem luxuriösen Anwesen oder einem schicken Hotelzimmer - Bond genießt seinen Whisky stets in einer stilvollen Umgebung, die seinen Status als Mann von Geschmack, Stil und Welt unterstreicht.
In den Filmen wird entsprechend auch die Kunst des Whisky-Trinkens zelebriert. Von den erwähnten klassischen Scotch-and-Soda-Kombinationen als Hommage an die Romane bis hin zu aufwendigen Whisky-Cocktails ist Bonds Trinkverhalten ein Spiegelbild seines anspruchsvollen Lebensstils. Wie in der Szene aus SKYFALL aufgezeigt, dient in vielen Momenten der Whisky als Mittel zur zwischenmenschlichen Interaktion und als Werkzeug zur Vertiefung der Charakterentwicklung. Wenn Bond und seine Gegenspieler sich in einem eleganten Casino gegenüberstehen und ihre Gläser klirren lassen, spürt man die Intensität und den subtilen Machtkampf, der zwischen ihnen stattfindet. Wenn die Kamera die goldene Farbe des Whiskys einfängt, während Bond, unterlegt von eleganter Musik, sanft das Glas schwenkt, ist mit wenigen Mitteln die perfekte Atmosphäre geschaffen. Diese sorgfältige Inszenierung verleiht den Whisky-Momenten in den Bond-Filmen dadurch mitunter auch eine gewisse epische Qualität und macht sie zu einem festen Bestandteil des „Bond-Erlebnisses“.
Neben den ikonischen Momenten, in denen Bond selbst Whisky genießt, gibt es eine Fülle von Nebencharakteren und (wie bereits erwähnt) auch Schurken, die gern zum Tumbler greifen. Ob es sich um den skrupellosen Bösewicht handelt, der seinen Whisky in einem luxuriösen Penthouse genießt, oder um den treuen Verbündeten, der Bond einen Schluck seines Lieblingswhiskys anbietet, die Präsenz von Whisky in den Bond-Filmen trägt zur Komplexität und Tiefe der Charaktere und damit der gesamten 007-Welt unabdingbar bei. Natürlich ist und bleibt der erste Gedanke, wenn man nach James Bonds Lieblingsgetränk gefragt wird, Martini. Dieser erfüllte jedoch über die Jahrzehnte vor allem die Aufgabe, eine der wenigen Konstanten in Bonds Leben zu sein – bis Daniel Craigs 007 damit ironisch brach (Barkeeper: „Geschüttelt oder gerührt?“ Bond: „Seh ich so aus, als ob mich das interessiert?“). Whisky charakterisierte den Geheimagenten hingegen abwechslungsreicher. Mal als Mann von Welt, mit Stil und Geschmack, mal als gebrochener Mann, der einfach einen Drink braucht. Wenn Sie also das nächste Mal einen Whisky genießen, denken Sie daran: Sie trinken nicht einfach nur einen Drink, sondern erleben eine Geschichte voller Eleganz, Dramatik und Abenteuer. In diesem Sinne: Mhath…
Sláinte Mhath!
Autor
Daniel Wagner