Verkostung, ergebnisoffen

Carlos André Short Robusto und Sild-Whisky

Wie schmeckt der Whisky? Ja, wie schmeckt eigentlich dieser Whisky? Der zehnjährige Schotte von den Inseln zum Beispiel präsentiert sich in der Nase zunächst ungezogen, fast rebellisch. Nur, um dann eine Kehrtwende um 180 Grad zu vollziehen und - mit Vanille und Schwarztee reich texturiert – feine Aromen von Dörrobst und flüchtige Fruchtnoten zu präsentierten. Seetang und Salzkaramell fangen am Gaumen die kernige Torfnote ein und sorgen für eine harmonisch ausbalancierte floral-balsamische Note, die final in einem fein austarierten Aromen-Feuerwerk mündet.

 

Zumindest so - oder fast so - klingt es, wenn ich mir Verkostungsnotizen, selbstverständlich auch meine eigenen, durchlese. Beispiel gefällig? In einem gut zwanzig Jahre alten Text verstieg ich mich in die Aussage „Nach dem Öffnen noch verschlossen. Ich atme mit dem Whisky um die Wette“! Ergänzt war der Text natürlich mit wohlklingenden Begriffen und teils absurden Vergleichen aus dem reichlich gefüllten Baukasten der Geschmacksbeschreibungen. Die Verkostungssprache: Mal säurebetont und strohig. Mal korkig, stelzig und pelzig; mal torfig, ölig und nölig. Selten nur körperreich, charaktervoll, mit viel Extrakt, kräftig, füllig, mutig und von dauerhafter Substanz.

 

Gnadenlos subjektiv

Ganz gleich, ob es um Beschreibungen von Whisky, Zigarren, Wein oder beispielsweise Tee handelt: Es ist immer der Versuch, eine zutiefst subjektive Wahrnehmung, die zudem wandelbar von vielen Faktoren wie Situation, Präferenz, Setting oder einfach der Laune, um nur einige zu nennen, abhängig ist, auf eine möglichst verständliche, möglichst objektive - und damit für den Leser nachvollziehbare und vergleichbare - sprachliche Ebene zu bringen. Das funktioniert immer über den Umweg von Geschmacksanalogien, die manchmal fast, aber doch nie ganz den Kern treffen. Warum dann nicht gnadenlos subjektiv! Fangen wir gleich an.

 

Die neue Carlos André Short Robusto

Als die Anfrage kam, eine neue Zigarre mit einem deutschen Whisky zu verkosten, sagte ich sofort zu. Das mache ich wirklich nicht immer. Aber beide Genusspartner gehören nun einmal zu meinen absoluten Favoriten! Da ist auf der einen Seite die Carlos André. Eine echte „Family Reserve“-Zigarre, die mich von Anfang an begeisterte. Vor allem die handgerollten Longfiller Cast Off und Airborne gehören zum Besten, was aus der Dominikanischen Republik zu uns kommt. Schon bei der Markteinführung vor einigen Jahren habe ich das Unternehmen gefragt, ob in absehbarer Zeit Formate wie kleine Corona oder gar Short Robusto zu erwarten seien. Die Frage war nicht ganz uneigennützig, denn ich habe einfach nicht immer Zeit und Muße, mich in aller Ruhe eine knappe Stunde hinzusetzen, um eine Zigarre in Gänze zu genießen. Mit zwei höchst munteren Kindern, einer fordernden Frau und meinem Beruf, ist das meist schlicht nicht drin. Eine Robusto allerdings geht immer. Ein Kompromiss zweifelsohne, aber ein verdammt guter. Vor allem wenn die Produktlinien‚ „Cast Off‘ und „Airborne“, die jetzt um das Format Short Robusto erweitert werden, in knapp dreißig Minuten die Intensität der CarlosAndré-Zigarren quasi in einem Zeitraffer neu definieren und verdichtet auf den Punkt bringen.

 

Sild – Whisky mit Sylt-DNA

Der andere Genusspartner ist hier garantiert auch kein Unbekannter: Sild. Als die Destillerie Lantenhammer den Single-Malt „Sild“ auf den Markt brachte, war ich zunächst etwas skeptisch. Warum in aller Welt sollte ein Hersteller aus Oberbayern - geografisch könnte der Abstand zum Norden kaum größer gewählt sein – seinen Whisky ausgerechnet nach meiner erklärtermaßen Lieblingsinsel benennen? Gut, in großen Teilen ist der Sild ein Kind der Insel: Braugerste und Quellwasser stammen von hier, der zum Trocknen des Getreides verwendete Torf auch, das Destillat reift auf Sylt – das alles sagt per se aber noch nicht viel aus. Doch dann habe ich den Sild zum ersten Mal probiert. Und war sofort schockverliebt. Denn all das, womit ich Sylt jenseits des albernen Jet Sets ganz persönlich verbinde, ließ sich hier finden. Eine Quintessenz meiner zutiefst norddeutschen Seele, wenn man so will. Ein besonderer Glücksmoment, der sich zudem verlässlich bei einem Glas Sild wiederholen lässt.

 

Es stellt sich jetzt eigentlich nur noch die Verkostungsfrage. Das habe ich selbstverständlich - und selbstverständlich mit großer Freude! - gemacht. Und ich habe Seltenes
gefunden: Zwei Genusspartner auf Augenhöhe, die in Kombination mit vielen harmonischen Komplementäraromen überzeugten, aber auch mit überraschenden Gegensätzen zu spannenden Erkenntnissen führten. Kurzum: Eine halbe Stunde Auszeit, eine halbe Stunde genussvolle Achterbahnfahrt. Eine halbe Stunde, die nur mir und meinen Eindrücken gehört. Das will ich jetzt einfach mal nicht mit Ihnen teilen. Auch aus Respekt vor ihrem individuellen Geschmacksempfinden und unserer gemeinsamen Fähigkeit, einen ganz eigenen Ausdruck für die ganz eigene Wahrnehmung zu finden. Denn dafür ist uns der Geschmackssinn gegeben. Nicht nur. Aber eben auch.

Autor

Lars von Rehbinder

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