Dufftown – Am Nabel der Whiskywelt
Jeder, der sich mit schottischem Whisky beschäftigt, hat diesen berühmten Spruch bestimmt schon einmal gehört oder gelesen: „Rome was built on seven hills, and Dufftown stands on seven stills.“ Aufgrund der exponierten Lage profitiert das kleine Städtchen im Herzen der Speyside von einer hervorragenden Wasserversorgung, die ideale Voraussetzungen für Destillerien bietet. So ist das pulsierende Dufftown ganz und gar vom Whisky geprägt, hat jedoch noch einiges mehr zu bieten.
Dieser Artikel erschien zuerst in: Der Whisky-Botschafter 02/2020
VON HEINZ WEINBERGER
Dufftown liegt mitten in der Whiskyregion Speyside. Die Anreise von Deutschland aus gestaltet sich am schnellsten mit einem Flug bis Aberdeen International Airport und der Weiterfahrt mit dem Mietwagen gen Nordwesten. Das gut 50 Meilen entfernte Dufftown erreicht man in etwa einer Autostunde am besten über die A96, wobei man auf Höhe von Huntly dem Hinweisschild folgend links auf die A920 abbiegt, die dann kurz vor dem Ziel in die A941 übergeht. Die Stadt wurde im Jahr 1817 von ihrem Namensgeber James Duff, dem 4. Earl of Fife, gegründet, um in den Jahren nach den Napoleonischen Kriegen heimkehrenden Soldaten Unterkunft und Beschäftigung zu bieten. „Obwohl Dufftown eine relativ junge Stadt ist, nur 200 Jahre alt, umfasst sie die geschichtsträchtige Gemeinde Mortlach, deren Aufzeichnungen bis ins Jahr 566 zurückreichen“, erklärt Steve Oliver, Mitglied der eingetragenen Wohltätigkeitsorganisation Dufftown 2000 Ltd. Die ältesten Teile der dortigen Kirche, Mortlach Church, stammen vermutlich aus dieser frühen Zeit. Wie damals üblich ist auch Dufftown eine typische Planstadt mit geräumigen, regelmäßig angelegten Straßen. Die vier Hauptstraßen bilden dabei die Form eines Kreuzes und treffen sich am Wahrzeichen der Stadt, dem Clock Tower. Dieser aus lokalem Granit gebaute und 1839 fertig gestellte Uhrturm war ursprünglich das städtische Gefängnis und beherbergte bis vor kurzem das Touristeninformationszentrum, steht heute jedoch leer. Angeblich soll im Keller um 1900 sogar eine illegale Brennerei aktiv gewesen sein, als der Turm noch als Wohnhaus genutzt wurde.
Seven Stills
Dufftown liegt am Fuße der Conval Hills und in der Gegend, in der die Flüsse Fiddich und Dullan Water auf ihrem Weg zum River Spey zusammenfließen. Zudem gibt es in der Umgebung viele Quellen, so dass die Stadt bald ein Zentrum für Whisky-Brennereien wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass im Jahr 1897 – mitten im Whisky-Boom Ende des 19. Jahrhunderts – mit Glendullan bereits die siebte Brennerei in Dufftown eröffnete, was Zeitgenossen dazu veranlasste, den berühmten Vergleich mit Rom zu ziehen. Die übrigen sechs Destillerien in der Stadt waren – in chronologischer Reihenfolge ihrer Gründung – Mortlach (1823), Glenfiddich (1886), Balvenie (1892), Convalmore (1894), Parkmore (1894) und Dufftown (1896). Parkmore wurde bereits in den 1930er Jahren wieder geschlossen, während Convalmore noch bis 1985 Whisky produzierte. Die Gebäude von Convalmore unweit der Balvenie Brennerei am nördlichen Stadtrand sind heute immer noch intakt, und William Grant & Sons nutzen diese zur Lagerung ihrer Whiskyfässer. Die Markenrechte hingegen hat nach wie vor Getränkegigant Diageo inne, der zudem Eigentümer von Mortlach, Dufftown und Glendullan ist. Ein kurzes Gastspiel gab die von Arthur Bell & Sons im Jahr 1975 gegründete Brennerei Pittyvaich, die auf dem Gelände der Dufftown Destillerie errichtet wurde und sich mit dieser die Wasserquelle teilte. Nach nur 18 Jahren Produktionszeit wurde sie bereits 1993 wieder geschlossen und neun Jahre später sogar abgerissen. Doch Whiskyfässer sind immer noch vorhanden, und von Zeit zu Zeit bringt der heutige Eigentümer Diageo limitierte Sonderabfüllungen dieses Single Malts auf den Markt. Im Jahr 1990 kam eine weitere Destillerie von William Gran & Sons hinzu, Kininvie, und damit existieren heute sechs operative Brennereien in der Stadt – nicht schlecht bei etwa 1.700 Einwohnern. Kein anderer Ort auf der Welt kann derzeit mehr Destillerien aufweisen als dieses kleine schottische Städtchen in der Grafschaft Banffshire im Herzen der Speyside. Kein Wunder also, dass die Einwohner diesen Ort zur Scotch Whisky-Hauptstadt der Welt ernannt haben. Diese sechs aktiven Brennereien besitzen eine beeindruckende Produktionskapazität von gut 40 Mio. Liter reinen Alkohols (LPA) pro Jahr, so ziemlich genau 10 Prozent der Gesamtkapazität aller Malt Destillerien in Schottland zusammen. „Es gibt weit über eine Million Fässer Whisky, die in der Stadt reifen“, sagt Mike Lord vom Whisky Shop Dufftown. „Wenn man bedenkt, welcher Anteil der Engel aus all den Whiskyfässern verdunstet, wird einem klar, dass in Dufftown ständig Whisky in der Luft liegt.“ In der Tat, ein kurzer Geruchstest bestätigt dies sofort.
Brennereibesuche
„Der Besuch einer oder mehrerer Brennereien sollte ganz oben auf der To-Do-Liste stehen. Glenfiddich und The Balvenie bieten großartige Führungen an, die man sich nicht entgehen lassen sollte“, rät Markus Heinze, deutscher Brand Ambassador für Glenfiddich. Tatsächlich sind es auch nur die beiden Destillerien, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die bereits seit fünf Generationen in Familienbesitz befindliche Brennerei Glenfiddich expandiert zurzeit am Standort und strebt nach Fertigstellung der neuen Gebäude eine Erhöhung der jährlichen Produktionskapazität von derzeit 13,7 Mio. LPA auf dann etwa 20 Mio. LPA an. The Balvenie Distillery verfügt über kein Besucherzentrum und kann nur im Rahmen einer Tour – welche je nach Saison zum Teil mehrere Monate im Voraus gebucht werden muss – besichtigt werden. „Balvenie hat eine der umfangreichsten Touren in Schottland“, schwärmt Mike Lord. Tatsächlich ist die Besichtigung der im viktorianischen Stil errichteten und seit über einem Jahrhundert weitgehend unverändert gebliebenen Gebäude etwas ganz Besonderes, da man hier auch die ersten Schritte der Whiskyherstellung – das Einweichen der Gerste, Mälzen und Darren – hautnah miterleben kann. Die Tour, welche mehrmals am Tag stattfindet, gewährt zudem einen Einblick in die hauseigene Küferei, bietet die Möglichkeit, ein 200 ml Fläschchen mit einem „Copper Dog“ direkt aus dem Fass im Warehouse No. 24 selbst zu befüllen und erreicht mit einer Whiskyverkostung im ehemaligen Destillerie Office ihren krönenden Abschluss. Hat man zudem noch das Glück, die letzte Tour am Tag mit dem kundigen und sympathischen David Mair ergattert zu haben, dann kann das abschließende Tasting so manche Überraschung bieten. Denn der aus Dufftown stammende Distillery Ambassador gönnt sich und seinen Gästen zum Feierabend gern mal einen besonderen Dram. Bei meinem letzten Besuch war das ein 30-jähriger Balvenie, der normalerweise nicht auf dem Programm stand. Doch eine Garantie gibt es dafür nicht. Man muss eben Glück haben.
Whisky Shop
Zentral gelegen mit Blick auf den Clock Tower ist der Whisky Shop Dufftown einer der Treffpunkte für Whisky-Touristen. Dieser gehört Mike Lord, dessen Leben in London als Controller im Bereich Financial Services eine radikale Wende nahm, als er sich entschied, Whisky-Einzelhändler zu werden. „Das war eine echte Überraschung für mich. Es schien so, als hätte sich der Shop für mich entschieden. Er stand 2008 zum Verkauf, und die Stammkunden haben mich überredet, ihn zu kaufen. Der Rest ist Geschichte.“ Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, bietet doch der Shop eine außergewöhnliche Auswahl von über 600 Whiskys, die der gleichermaßen sympathische wie fachkundige Mike alle im Detail kennt. Zurecht kann er stolz auf sein unabhängiges Whisky-Informationszentrum sein, in dem die Kunden individuell beraten werden und hilfreiche Ratschläge erhalten, wie sie Schottlands feinstes sowie hochprozentiges Produkt in vollen Zügen genießen und das Beste aus Ihrem Besuch in der Speyside machen können. So hat Mike auch gleich einen Tipp für mich: eine Panoramafahrt mit einer alten Eisenbahn auf der 11 Meilen langen Whisky Line, die zwischen Dufftown und Keith verkehrt, entlang einer spektakulären Landschaft und mit etwas Glück dem Blick auf eine vielfältige Tierwelt.
Attraktionen und Sehenswürdigkeiten
Als wichtiger Teil des Malt Whisky Trails ist Dufftown die Heimat des alljährlich im September stattfindenden Autumn Speyside Whisky Festivals, das sich mittlerweile zu einer äußerst beliebten Veranstaltung entwickelt hat. Das Festival bietet die Möglichkeit, auch die Brennereien in der Stadt zu besuchen, die normalerweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Bereits seit 1892, immer am letzten Samstag im Juli, finden die Highland Games in Dufftown statt. Ein besonderes Ereignis, bei dem auch eine enorme Anzahl von Pipe Bands anwesend ist und ein großes Spektakel, wenn diese mit Dudelsack und Trommeln durch die breiten Straßen der Stadt ziehen. Dufftown ist auch ein idealer Ort zum Wandern mit Routen für alle Altersklassen und Fähigkeiten. Von einem kurzen Spaziergang durch die Stadt bis hin zu anspruchsvollen Wanderungen über hohe Berge hat diese Gegend einiges zu bieten. Ein sehenswertes Ziel ist die am nördlichen Stadtrand gelegene, pittoreske Ruine Balvenie Castle. „Einen Abstecher dorthin sollte man einplanen. Es ist zwar nicht mehr komplett erhalten, aber noch immer ein sehr beliebtes Fotomotiv mit ganz viel Geschichte und einem schönen Ausblick auf unsere Glenfiddich Destillerie,“ weiß Markus Heinze. Die ehemals massive Festungsanlage mit bewegender Geschichte wurde in den 1200er Jahren erbaut und rund 500 Jahre später zugunsten des Balvenie New House aufgegeben, das eine halbe Meile nördlich davon errichtet wurde. Entsprechende Broschüren sind am Informationspunkt im zentralen Whisky Museum erhältlich, das zudem mit seinen Exponaten die Geheimnisse der Whiskyherstellung früherer Zeiten offenbart und einen faszinierenden Einblick in die Zeit der Schmuggler gewährt. Das Whisky Museum wurde 2002 gegründet und wird u. a. von Dufftown 2.000 Ltd. betrieben, um den Tourismus in der Stadt zu fördern. Abschließend gibt mir Steve Oliver noch einen Rat mit auf den Weg, den man unbedingt beherzigen sollte. „Ein Besuch der nahegelegenen Speyside Cooperage ist ein Muss“, sagt er. Die 1947 gegründete Küferei produziert und repariert mit traditionellen Methoden und Werkzeugen jährlich fast 150.000 Fässer für die Whiskyindustrie. „Die Besichtigung dauert etwa eine Stunde, und nach einer informativen Videopräsentation kann man auf der Aussichtsgalerie den Küfern bei ihrer harten Arbeit zusehen.“ Ebenso beeindruckend wirken die unzähligen, zu Pyramiden aufgetürmten Eichenfässer, die auf dem Außengelände darauf warten, fachkundig bearbeitet zu werden.
Für Markus Heinze, der beruflich häufig in Dufftown unterwegs ist, hat dieser Ort etwas Magisches. „Auf der einen Seite begeistert mich die Vielzahl an Destillerien und deren Festhalten an alten Traditionen. Darüber hinaus sind es aber die Menschen, die diesem geschichtsreichen Ort seinen Charme verleihen.“ Und damit meint er diejenigen, die Dufftown als ihren Heimatort bezeichnen dürfen. „Mich fasziniert ihre Offenheit, insbesondere Gästen gegenüber, ihr Stolz und die pure Leidenschaft zu ihrem Scotch Whisky“, schwärmt er. Was auch immer der Grund ist, warum man hierherkommt, es wird einem leicht gemacht, seinen Besuch in vollen Zügen zu genießen. Wie man eben in Dufftown zu sagen pflegt: „Enjoy your visit and haste ye back.” Ich zumindest werde definitiv wieder in die Hauptstadt des schottischen Whiskys zurückkehren.
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