Islay & more – Eine volle Brise Whisky voraus
Man kann über Regionen streiten wie über den Whisky selbst. Aber die Insel Islay war immer schon über all diese Zweifel erhaben. Die Whiskys dieses Eilands voll rauer Schönheiten vermögen gar nicht ihren Ursprung zu verbergen. Zu markant zeichnen sich Torf und Meer in sie hinein. Und das gilt für die meisten Whiskys von den Inseln, die sich an Schottlands Westen schmiegen. Eine Erkundungstour von Heinfried Tacke.
Ich erinnere mich noch genau an meine frühen „Whisky-Botschafter“ Lektüren. Immer wieder mussten bei der Vorstellung ganz bestimmter schottischer Regionen die Bücher gewälzt werden, welche Brennerei von welchem führenden Autor nun noch oder eben nicht mehr zur besagten Region gezählt wurde. Unser Autor Karl Rudolf tat dies mit Hingabe und Akribie, musste aber häufiger bekennen, dass man es am Ende doch damit hielt wie die berühmt-berüchtigten Dachdecker. Obwohl, so möchte man meinen, es klare Regelungen der Scotch Whisky Association (SWA) gab. Nur: In deren Regulations werden die Regionen zwar benannt, nicht aber genau abgezirkelt. Und so bleibt uns hier und da das nette Spielchen erhalten, wer gerade wo „in“ oder „out“ ist. Ganz abgesehen davon, dass es keine Region gibt, die die Inseln in sich bündelt. Nur Islay ist eine eigene Region. Ebenso Campbeltown. Den Rest hat man den Highlands zugeschlagen. Genauer gesagt: Arran, Mull, Jura und Skye den Western Highlands und die Orkney Islands den Northern Highlands. So weit die Fakten.
Eigener Typus Inselwhisky?
Dagegen fand ich in den Karten gut bestückter Whiskybars oft die Rubrik „Inseln“. Und ich muss betonen, dass ich mich mit dieser Zuordnung immer bestens gelotst fühlte, um den Whisky zu finden, nach dem mir in jenem Moment gerade war. Sollte also diese Gruppierung vielleicht doch Sinn machen. Oder gar einen eigenen Typus von Whisky beschreiben. Darum soll es hier in gewisser Weise gehen. Jedenfalls sollte klar sein, dass ich hier nicht von einer eigenen Whiskyregion rede. Die Rubrik über diesem Artikel könnte das nahelegen. Ich halte es vielmehr mit den Dachdeckern und mache es gerade so, wie es mir gefällt, das indes ganz bewusst, weil ich von diesem Typus Inselwhisky überzeugt bin. Dass hier trotzdem die Orkney Islands fehlen werden, ist allein der Tatsache geschuldet, dass sie auch in unserem Bericht über die Studienreise mit dem Schiff vorkommen. Und den Frevel, den ruhmreichen Ort Campbeltown, da Halbinsel, dieser Gruppe zuzuschlagen, nun, diesen Frevel wollte ich nun wahrlich nicht begehen. Man ist ja just erst wieder eine eigene Region geworden. Dass indes Islay als Insel eine ureigene Region darstellt, empfinde ich geradezu als richtungsweisend. Keine andere Insel der Inneren Hebriden prägte so eine ganz eigene Stilistik aus. Islay ist der Inbegriff schlechthin für das, was wir unter einem Inselwhisky verstehen. Und genau deswegen wollen wir auch dort mit unserer Erkundungstour beginnen.
Torf-Stinker als Identität
Sich der Insel Islay zuzuwenden, heißt – für die einen leider, für die anderen Gott sei Dank – auch: Man kann sich dem Thema Torf nicht entziehen. Bis auf den heutigen Tag geht dieser Riss wie ein Spaltpilz durch die Welt des schottischen Whiskys. Was die einen lieben, löst bei anderen ungehemmte Abscheu aus. Man liebt oder hasst diese Peated Malts. Reden wir also Klartext: Torf stinkt, vor allem, wenn er verbrennt, und Whiskys, die qua Kiln und Darre vom verbrannten Torf „infiziert“ wurden, tun dies selbstredend auch. Sie tun es allerdings auf eine Art und Weise, dass es schier zu einer Art Faszination ausartet. Diese bittersüßen Phenol-Noten sind schon tückisch und lösen die unterschiedlichsten Assoziationen aus: nach Jod, Pflaster und Medizin; nach Teer, Asphalt und Straße; oder eben nach Seetang, Fischöl und manchmal auch schleimigem Lakritz; aber auch nach Stall oder Viehdung; und immer auch nach Ofenrohr, Ruß oder etwa altem Traktordiesel. Alles missliebige Gerüche, die man schwer nur mit höchsten Genüssen in Verbindung bringt. Aber dann kommt doch eben dieses kleine bisschen Mehr und Andersartige dazu, was das Blatt plötzlich wendet. Das Raue paart sich mit einer ganz eigenen Lieblichkeit. Schon Torf, der verbrennt, entwickelt diese bittersüße Note. Und im Malt Whisky – der gern dunkel-süße Aromen von Toffee und Karamell mit sich führt, aber auch kraftvoll-süße Fruchtnoten von Zitrusfrüchten oder etwa Pfirsich, Pflaume und Banane – eben dort im besagten Malt Whisky gehen all diese Komponenten eine ureigene Liaison ein, die jene Faszination auslöst, über die man nur die Eigenheit von Islay versteht. Der Autor Charles Maclean hat dies in einem seiner Bücher einmal sehr schön auf den Begriff gebracht: Auf einer Insel, die fast zur Hälfte aus Moor besteht und auf der Torf über Generationen hinweg das einzige Feuerungsmittel war, wo Torf also in jeder Hütte in der Mitte der Behausungen loderte und alles – ob Haare, Bettzeug oder Kleidung – diesen Geruch verbrannten Torfs annahm: Wie anders konnte oder durfte ein Whisky von dieser Insel dann nur schmecken als eben nach diesem Torf?! Die Antwort scheint sich zu erübrigen …
Der Kultstatus Islays
Allerdings bin ich persönlich der Meinung, dass dies nicht allein ausreicht, um sich den Kultstatus erklären zu können, den sich die Insel Islay mit ihren Brennereien in den letzten Jahren erworben hat. Man darf nicht vergessen, dass auch etliche von ihnen nicht überlebten. Die Insel besaß zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr als 20 Malt Whisky-Brennereien. Und selbst von den verbliebenen acht Brennereien aus früheren Jahren hatte die eine oder andere sehr schlechte Jahre oder gar lange Phasen der Inaktivität zu überstehen. Nein, auch dessen sollte man sich bewusst sein: Lange kam den Peated Malt Whiskys von Islay, die heute einen eigenen, legendären Status einnehmen, nur die Rolle als Zuträger einer mehr oder weniger rauchigen Note in Blended Scotch Whiskys zu. Es sicherte ihnen sogar ihre Existenz und ihr Überleben. Erst der große Siegeszug der Single Malt Whiskys ab den späten 80er Jahren rückte die Insel Islay einem breiteren Publikum näher in den Blick. Und wurde dann erst zu einem eigenen Objekt der Begierde der Schottlandreisenden. Was ich damit sagen möchte, entlehne ich mir vom leider schon verstorbenen, aber immer noch Maßstäbe setzenden Whisky Autor Michael Jackson: „Islay verführt den Besucher nicht wie andere Inseln, sondern diese Insel geht ihm gewissermaßen in Fleisch und Blut über, ergreift geradezu Besitz von ihm. Es windet ständig, und es riecht nach süßer, salzgeschwängerter Luft, dem Kokosaroma heißen Stechginsters, Torfrauch, Gagelstrauch und einem gerade gelöschtem Lagerfeuer. Alle Noten, die man in den Islay-Malts wahrnimmt, hängen hier in der Luft.“
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