Studienreise 2015

Leinen los! Protokoll einer „Dienstfahrt“

Für die Liebhaber vom Wasser des Lebens gehört sie schon zum festen Repertoire. Obwohl: Erst 2013 boten wir unsere Segeltour zu dessen Quellen erstmals an. Doch schon in diesem Jahr mussten wir sie gleich zweimal hintereinander durchführen. Wie das, mag sich der eine oder andere unserer Leser fragen. Was macht sie so besonders? Tja, wenn man das nur mit wenigen Worten sagen könnte. Geschweige denn allein mit Worten. Ein Versuch, es trotzdem hinzubekommen.

 

Von Heinfried Tacke

 

Unlängst las ich in einem sehr guten Buch die vielsagende Bemerkung, dass das ganze Leben doch nur aus Abschieden bestehe. Den Satz legte der Autor Robert Seethaler („Der Trafikant“) seiner realen Figur Sigmund Freud in den Mund. Nur, bloß keine Sorge: Ich will Sie nun nicht auf die sprichwörtliche Couch legen. Trotzdem konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass an der beiläufigen Äußerung mehr dran war als bloß der Trost, den es dem Buch einem unglücklich Verliebten spendete. Gerade Seeleute wissen nur zur Genüge, was in ihm so alles mitschwingt. Und irgendwie waren wir Teilnehmer der Reise ja ebenso deren vertrauter Magie von „Heute hier, Morgen dort“ überantwortet. Für sieben Tage, als „Schicksalsgemeinschaft“ auf Whiskymission, willkürlich zusammengewürfelt zwischen 30 Tonnen Stahl unter drei bis zu 35 Meter hoch aufragenden Segelmasten, wo sich die Rahen spannten und die Focks blähten, während die kollernden Wellen gelegentlich für die eine oder andere Unpässlichkeit sorgten. Und dennoch hätte man die ans Gemüt gehenden Szenen zum Abschied von der Reise sehen sollen: feste Umarmungen, die kaum enden wollten und mit dem noch festeren Versprechen einhergingen, sich ganz bald wieder zu sehen. Ja, selbst nach jeder besichtigten Brennerei verließen wir Ort und Hafen mit dem Gefühl, dass das doch wohl jetzt der beste Teil der Tour gewesen sei, was man aber schon am nächsten Tag flugs wieder zu revidieren gedachte. Eine Geschichte reihte sich somit an die nächste. Es wurde viel geflachst und Späße miteinander getrieben. Zusammen sang man aus vollster Kehle und Brust „at the bonnie, bonnie banks of Loch Lomond“. Das Essen von Jelle und Geeske mundete auf Teufel komm raus. Drams und Bier flossen in Strömen, wenn nicht gar in Sturzbächen. Und mit jeder Brennerei mehr wuchs und wucherte das neue Whiskywissen, dass selbst eine vom flüssigen Gold bislang streng Abstinente („Schwester Christa“) sich schon am dritten Tag als Bekehrte bekannte, was ihrem Mann Dirk („Dirkules“) ernste Sorgenfalten ins vollrunde Gesicht trieb, weil er um seine zuvor sicher geglaubten Schätze fürchtete. Und, und, und. Doch die Erlebnisse purzeln mir kunterbunt durcheinander aus der Feder heraus. Zwingen wir uns mehr zur protokollarischen Ordnung. Lassen wir somit die Tage nochmals in Reih und Glied an Deck der Erinnerungen antreten.

 

Tag 1: Ankommen und erste Überfahrt

Logbucheintrag von Samstag, den 4. Juli. Es war ein trüber, verregneter Morgen. Dabei hatte noch am Tag zuvor die Sonne geschienen bei netten 20 Grad Außentemperatur, so dass mir in der Dämmerung immer noch hartgesottene Schotten in kurzen Shorts entgegenkamen. So sind sie! Zuhause stöhnten wir unter eine Hitzewelle. Aber hier!? Und jetzt dieser unwirtliche Nieselregen. Selbst der Eingang zum Kai im Hafen von Buckie, wo die „SS Thalassa“ bereits angelegt hatte, war kaum zu erkennen. Ich wollte als guter Reiseleiter früher da sein als die knapp 30 Gruppenmitglieder. Aber Pustekuchen. Um halb elf war ich längst nicht der Erste, der den Zugang zur Mole und zu unserem stolzen Dreimaster suchte. Und natürlich waren alle gespannt, mit wem man nun die nächsten sieben Tage an Bord verbrachte. In meinem Kopf, in den ich am Abend vorher noch alle Namen der Teilnehmer mitsamt ihren Kajüten eingebimst hatte, kribbelte es: Roland und Ulrike G. aus Horb, Vater Heinz-Josef und Sohn Jan W. aus Dorsten bzw. Dülmen, Jens und Franziska G. aus Dresden, Holger und Sabine K. aus Darmstadt, Markus und Kathleen S. aus Fellbach, Dirk und Christa J. aus Ahlen, Peter Z. aus dem Frankfurter Raum, Wiederholungstäter Andreas M. aus Konstanz und Frank B. aus dem Frankenland sowie aus Österreich Bernhard und Monika K. (Bregenz) sowie die starke Schweizer Fraktion mit Daniel Z. und Margit S. aus Basel, Gian Reto und Lotti D. aus dem Berner Land sowie last but not least die drei unmittelbar benachbarten Familien aus Liestal René und Elisabeth B., Maria und Josef B. sowie Ellen und Walter A. Viele von ihnen hatten schon ein oder mehrere Tage vorher in Schottland verbracht. Überpünktlich trudelten sie noch vor der offiziellen „Einstiegszeit“ um 12 Uhr ein…

 

„Komfortzonen“ unter und auf Deck…

Während die sechsköpfige Crew um den dieses Mal eigens angeheuerten Kapitän Marten Steen sowie Steuerfrau Nathalie van Zanten die letzten Vorräte für die sieben Tage durch Luken tief im Inneren des Schiffsbugs verstauten, bezogen unsere Gäste ihre Kajüten. Reden wir nicht drum herum. Luxus sieht anders aus. Man darf dieser Art Behausung gern auch das Prädikat „kleines Raumwunder“ verleihen: ein Doppelstockbett, daneben eine Regalfront, auf der anderen Seite ein Waschbecken mit Unterschrank, wo hinter einer Tür die Dusche wartet, die noch am meisten Platz bietet und in der das tadellos fließende heiße Wasser notfalls selbst zu Eisklumpen erstarrte Gemüter zurück zum Leben erweckt, sowie ein Eingangsbereich in der Größe von etwa vier oder fünf Schachbrettern. Das war’s aber auch schon. Der einen oder anderen weiblichen Begleitung sah man eine gewisse Ernüchterung an. „Na, ja, einen Wellness Pool im Zimmer hätte ich mir schon gut vorstellen können“, tönt mir eine ganz bestimmte von ihnen noch gut im Ohr, und ihre zwei Gefährtinnen sinnieren laut von einem Liegeplatz in der Sonne auf einem Luxusliner, der durch die Karibik schippert, während sie durch die Bullaugen im geräumigen Salondeck der SS Thalassa in das griesgrämig graue Wetter Nordschottlands starren. Die drei sollen in den nächsten Tagen mit ihrem Aufenthaltsplatz immer ein sicherer Kompass für die wärmste, sonnenreichste und am besten vor dem Wind geschützte Ecke auf dem Schiff werden. Man musste sich nur an Ellen, Elisabeth und Maria halten…

 

Von Eselsbrücken, Delfinen, Jakobsmuscheln und mehr

Eine halbe Stunde vor dem ersten Ablegen – alle Kajüten sind bezogen und man hat sich fürs Erste in sein neues Seeleben auf Zeit eingerichtet – findet das erste gemeinsame Treffen statt. Wir nennen es fortan „Briefing“ bzw. „Re-Briefing“, was uns zur geflügelten Wendung werden soll, obwohl wir es genauso gut stinknormal Lagebesprechung hätten taufen können. Marten stellt seine Crew vor und der smarte Kapitän gibt kleine, gleichwohl wichtige Hinweise für die Sicherheit an Bord. In den Gesichtern zeichnet sich trotzdem noch eine gewisse Unsicherheit ab. Keiner kannte zuvor seine Mitreisenden. Eine Übersicht über das gepackt volle Programm der nächsten Tage, dazu ein guter Dram Glenrothes Special Select zur Begrüßung sowie eine Vorstellungsrunde bricht jedoch schnell das Eis. Jeder liefert dafür sogleich die Eselsbrücke zu seinen Namen mit – etwa in der Art „Giani“ Walker oder „Whisky Gretli“ – und unversehens bilden sich erste Sympathiegrüppchen. Daniel pult derweil mit Giani und Lotti sowie Maaike aus der Küche die Jakobsmuscheln, die Koch Jelle im ganzen Sack zuvor im Hafen von Buckie erstanden hat, während sich im Mitteldeck eine Runde etabliert, die binnen nur weniger Tage zu unserer Männer wie Frauen starken „Mallorca Fraktion“ avanciert. Hier wird immer geklönt und geschnackt und Seemannsgarn gesponnen. Man teilt die mitgebrachten Whiskyflaschen, und selten ist die eine Hand, die in der Regel zum Mund geht, leer. Im Salon dagegen lassen sich diejenigen nieder, die das ruhige Ambiente wie Gespräch suchen. Fachsimpeln hier, Anekdötchen dort. Und nette Schmankerl aus Leben und Alltag drehen ihre Runden. Längst schaukeln wir geschmeidig entlang der Küste von Lossiemouth und Nairn. Das Wetter klart auf, die Sonne bricht sich Bahn, und schon am Nachmittag schippern wir bei schönstem Postkartenwetter dem Cromarty Firth entgegen, wo Invergordon das Ziel ist. Bei der Einfahrt zur Bucht hängen plötzlich vorne alle am Bug mit ihren Leibern über dem Schiff. „Define, vorn voraus!“ Eine ganze Rotte begleitet uns die nächste halbe Stunde. Wir passieren danach noch eine Armada von vor sich hin witternden Bohrinseln, die hier in der Bucht auf ihr letztes Geleit warten, und legen schließlich unter einem violett glühenden Abendhimmel an. Koch Jelle verzückt uns erstmals mit einem furiosen Zwei-Gang-Menü (Jakobsmuscheln, etc.), was zur allabendlichen Regel wird. Hungrig fällt jedenfalls in der ganzen Zeit keiner in seine Koje. Einige wollen dann noch einen örtlichen Pub „entern“. Sie sind schnell zurück. Nachtleben in Invergordon? Nun ja, Schulterzucken! So ist erstmals unser Salon der Ort, in dem Tag Eins mit einem ausgiebigem „Re-Briefing“ endet, was ebenfalls zur Regel werden soll, oftmals bis tief in die lediglich halbdämmrige Nacht. Ich notiere in mein Logbuch: „Gruppe läuft! Eine Sorge weniger. Und was für eine ansteckende Zeitlosigkeit an Bord! Vergesse alle Hektik. Morgen die erste Brennerei…“

 

Exklusive Sonntagstour

Man darf es schon als Luxus ansehen, an einem Sonntag unbedrängt, weil exklusiv durch eine Destillerie geführt zu werden. Es wurde uns am nächsten Tag bei Dalmore zuteil. Während so just die Glocken zum Kirchgang verhallten, fuhren wir beim Visitor Centre vor. Selbstredend gut gefrühstückt – es ließ wieder keine Wünsche offen. Am Eingang warten bereits Shauna Jennens, das zweite, weltweite Gesicht von Dalmore neben dem berühmten Master Blender Richard Paterson, und ihre zwei Kolleginnen auf uns. Sie nehmen sich extra an ihrem einzigen freien Tag Zeit für uns. Unser Dank ist ihnen vorher schon gewiss. Es geht in zwei Grüppchen durch die hübsche Anlage der Brennerei direkt am Ufer des Cromarty Firth, die zwar über den ganzen Globus einen Ruf wie Donnerhall besitzt, aber keineswegs zu den ganz Großen ihrer Zunft gehört.

 

Die direkte Lage an der Bucht ist ein Erkennungsmerkmal von Dalmore, die 1839 ihre Arbeit als damals kleine Farmbrennerei aufnahm. Aus dieser Zeit stammt auch noch die eigenwillige Form der beiden „Wash Stills“ mit ihrem röhrenartigen Überstand oberhalb des Helms. Doch wenn eine Brennblase erst einmal bekannt ist für einen ganz bestimmten Stil und Charakter eines Malt Whiskys, wird diese nicht wieder verändert. So verhält es sich auch bei Dalmore. Die Brennerei begründete damit eine bis heute glorreiche Zeit, und das vor allem, seit sie um Mitte des 19. Jahrhunderts vom Clan der Mackenzies übernommen wurde. Einer ihrer Vorfahren hat sich in die schottische Geschichte unverrückbar eingetragen durch die Rettung von King Alexander, festgehalten in einem großen Wandgemälde, das heute noch den Eingang ins Innere der Brennerei ziert, während ein wuchtiges Hirschgeweih nicht nur das Wappen der Mackenzies darstellt, sondern genauso prägnant die Flaschen des Malt Whiskys markiert. Der Zwölfender soll uns auf der Tour noch öfter begegnen. Doch es ist noch mehr der Master Blender Richard Paterson von der Firma White & Mackay, Besitzer der Brennerei seit Jahrzehnten, der den Malts von Dalmore zur heutigen Berühmtheit verhalf. Und das nicht nur ob seiner Vorliebe für deren Reifung in Sherryfässern. Vielmehr ist es sein ausgeklügeltes Wood-Management, wofür Paterson sechs verschiedene „Hölzer“ benutzt. Namentlich sind es ehemalige Fässer von Bourbon, Sherry, Port, Madeira, Cabernet-Sauvignon und Marsala.

 

Gesehen, nicht erlesen: Die Besonderheiten von Dalmore

All das bekommen wir live und direkt vorgestellt, zunächst mit einer Videoshow, dann mit der Führung, bei der sich Shauna als wahres Unterhaltungstalent erweist. Sie platziert ihre Pointen treffsicher und amüsiert uns besonders, als sie uns auf den typischen schwarzen Pilzbefall an den Mauern hinweist, der vom hier gelagerten Alkohol herrührt. „Do you know how we call it? They are drunken mushrooms“. Allseitiges Schmunzeln. Leider müssen wir an diesem Tag die Warehouses unbesichtigt links liegen lassen. Am Sonntag sind sie nicht zugänglich. Es geht so in einen weiteren eigens hergerichteten Schuppen, wo uns hinter Glas, in Flaschen abgefüllt, die Reifestufen eines Whiskys auf seinem Weg durch Jahre gezeigt werden. In der Mitte des Raumes präsentiert sinnfällig ein Fass die unterschiedlichen „Hölzer“. Ich notiere sie fein säuberlich. Den Teilnehmern hatte ich schon vorher gesteckt, dass ich sie zum Ende der Reise auf eine kleine, wenngleich nicht all zu ernst gemeinte Probe („Examination“) stellen werde, was bei ihnen von all den besichtigten Brennereien hängen geblieben ist. Im Taste Room treffen sich danach unsere getrennten Gruppen wieder, um abschließend einzelne Drams von Dalmore zusammen mit der stets schlagfertigen Shauna zu verkosten. Es wird eine gemütliche Debatierrunde, oft auch nur im kleinen Kreis, bei der sich der „Cigar Malt“ von Dalmore als der große Favorit der Gruppe erweisen soll.

 

Drunken Mushrooms and (Dal)more

Wir shoppen hinterher noch im Visitor Centre, machen das obligatorische Fotoshooting zum Beleg unseres Besuchs und besteigen daraufhin den Bus, der uns zum späten Mittagslunch ins „Marine Hotel“ in Invergordon chauffiert. Drei Gänge! Und das, wo doch unser guter Jelle abends ebenfalls noch seinen begnadeten Kochlöffel für uns schwingt. Die sommerliche Figur muss echt dran glauben, aber unsere nordschottischen Temperaturen lassen mich eh eher an den vorsorglichen Winterspeck denken. Wir legen wieder ab. Lag unser erster Morgen noch unter einer Decke von Hochnebel, schippern wir jetzt unter strahlender Sonne mit den von uns selbst gesetzten Segeln entlang der Küste hinauf zum Festlandende Schottlands. Der Seegang nimmt zu. Doch was den meisten ein vergnügliches Schaukeln bereitet, bei dem man seinen Gang oder Stand zur Sicherheit deutlich breitbeiniger ausrichtet, lässt einigen unter uns leicht unwohl werden. Unser Käpt‘n Marten gibt durch, dass wir wegen der großen Unterschiede zwischen Ebbe und Flut erst gegen Mitternacht in den Hafen von Wick einlaufen können. Das Abendessen nehmen wir deswegen zum ersten, aber auch einzigen Male auf See ein. Unter Deck, beim schwankenden Schmausen, sehen wir durch die Bullaugen die Wellen direkt auf uns zu prasseln. Das ist schon ein irres Bild, während man sein Dessert mit allem Geschick so sicher wie möglich zum Ziel führt, was möglichst der eigene Mund sein sollte. Im Salon oberhalb der Kombüse „tagen“ wir danach ausgiebig. Unsere erstes Studienobjekt Dalmore wollte nochmals ausreichend besprochen und vor allem ordentlich (nach)verkostet werden. Und, man ahnt, so geschah es denn auch…

 

Die Entdeckung: „Coastal Whisky“ Old Pulteney

Die nächste schöne Überraschung: Als wir am Montag aufwachen und zum Deck hinauf wanken, blicken wir in das Antlitz eines lieblichen Morgens. Und wie hübsch der nur kleine Hafen von Wick da liegt! Heute reicht uns ein kurzer, kaum zehnminütiger Fußmarsch, den wir bummelnd und fotografierend durch die ansteigenden Straßen des alten Fischerdörfchens genießen, dann stehen wir auch schon vor den Toren von Old Pulteney. Wir sind sogar vor der vereinbarten Zeit da. Das Visitor Centre hat noch zu. Die Brennerei geht an diesem Tag in die eigene „Ferien“. Vier Wochen lang wird der ganze Laden wieder auf Vordermann gebracht. Einmal im Jahr ist das nötig, was meistens sinnigerweise im Sommer geschieht. Trotzdem begrüßt uns pünktlich um 10 Uhr Distillery Manager Malcolm Warring, der dafür eigens seinen Urlaub unterbricht. Es ist ein herzliches Hallo. Malcolm und ich kennen uns schon ewig, hatten uns aber bislang immer nur in Deutschland gesehen. Auch für mich ist es so das erste Mal bei Old Pulteney...

 

Wir genießen die Tour mit ihm durch „seine“ Brennerei außerordentlich, die sich zwar in asiatischem Besitz befindet, die aber nichts von ihrem Charme als einst ausschließlich lokale Malt Whisky Brennerei eingebüßt hat. Es ist ein beredtes Zeichen, dass sich in den besseren Zeiten von Wick, als der Ort den wichtigsten Fischfanghafen weit und bereit besaß, allein nur die Bewohner und Hafenarbeiter von Wick täglich insgesamt 500 Gallonen vom Old Pulteney einverleibten. Schon damit war die Produktion eines Tages abgesichert. So versteht sich die Brennerei bis heute in dieser alten Tradition von „Silver & Gold“, sprich, dem natürlichen Doppelklang einer überreichen, Silber glänzenden Beute aus dem Meer und dem „flüssigen Sonnenschein“ aus der ureigenen Brennerei vor Ort, die schon 1826 ihre Arbeit aufnahm. Offiziell mag Old Pulteney zwar zu den nördlichen Highlands gerechnet werden, man selbst sieht sich dagegen als „Coastal Whisky“. Räumlich greifen hier beinahe nahtlos die einzelnen Arbeitsschritte ineinander: vom „Milling“ über das „Mashing“ (es sind erstmals Stahlbottiche, die wir zu sehen bekommen) bis hin zum „Distilling“ (zwei bemerkenswert kleine Pot Stills) und der „Maturation“. Beim letzteren zeigt sich wieder eine eigene Besonderheit: Ganz klassisch reifen die Pulteney Malts ausschließlich in Ex-Bourbon Casks. Man verzichtet auf jede Art von sonstiger „Spielerei“. Ebenso klassisch werden ausschließlich von ihrem Alter her bestimmte Malt Whiskys abgefüllt. Wir fühlen uns wahrlich in gute alte, leider aber verflossene Zeiten zurückversetzt. Und im Warehouses hält Malcolm mit uns ein Tasting ab, das alle rundweg begeistert: Die drei exzellenten Proben (12, 17 und 21 Jahre) sind jeweils auf alten Fässern drapiert, die in einer Runde angeordnet sind. Mittendrin spricht der Distillery Manager zu uns und plaudert so ungezwungen aus dem Nähkästchen, wie es nur jemand tun kann, der schon als Kind tagtäglich in der Brennerei weilte, weil zuvor bereits sein Vater verantwortlich für Old Pulteney war. Und er lässt so auch durchblicken, dass die beiden sich immer noch nicht einig sind, welcher Whisky von Old Pulteney der beste ist – ob der 17jährige oder der 21jährige? Was für ein Zwist auf was für einem hohen Niveau! Wir Teilnehmer lecken uns nach beiden Tropfen sprichwörtlich die Finger und notieren: Eine absolute Entdeckung! Unbedingt weiterverfolgen…

 

Auf Du und Du mit dem Distillery Manager

Dessen nicht genug, sind wir zum Mittag in der Brennerei eingeladen. Tanya vom Visitor Centre serviert uns ein köstliches Buffet mit Häppchen aus der Region, begleitet mit vielen netten Small Talks mit Malcolm, der natürlich bei uns bleibt und den die meisten nach den nur knappen zwei Stunden miteinander für immer in ihr Herz schließen. So wünschte man sich jede Besichtigung. Wir trudeln zurück zum Schiff, um unseren Kapitän nicht warten zu lassen, der zeitig aufbrechen will. Immerhin geht es noch übers offene Meer gen Orkney Islands. Wer weiß, was uns unterwegs erwartet? Tatsächlich ist es ein grandioser Tag unter Segeln und Sonne mit traumhaften Eindrücken von den Küstenlinien des Inselarchipels, das wir ansteuern. Einzige Hiobsbotschaft des Tages: Hafen Stromness ist „dicht!“ Ein dickes Kreuzfahrtschiff hat sich dort so breit gemacht, dass nichts mehr geht. Marten hat indes gleich die Lösung parat: Wir ankern direkt vor der Scapa Distillery – wahrlich nicht die schlechteste Alternative. Schon abends blicken wir so sehnsuchtsvoll auf das nächste Objekt der Studienreise, das dort fast zum Greifen nahe beschaulich in einer Senke vor unseren Augen liegt. Dass alles danach seinen üblichen wie allabendlichen Verlauf nimmt in Form, Ausmaß und Zeit vergessender Länge, ich denke, das kann ich mir ab jetzt schenken immer wieder zu betonen, oder?

 

Das Orkney-Doppel: Scapa & Highland Park

Logbucheintrag vom 7. Juli: Was für ein fieses Wetter! Es schüttet aus Kübeln und der Wind peitscht uns ins Gesicht, als wir, wieder zu Fuß, den Weg zur Brennerei nehmen. Und sie sah doch so nah aus vom Schiff! Am Ende brauchen wir eine Dreiviertelstunde, auch wegen des misslichen Äußeren. Aber längst ist die Truppe zusammengeschmiedet. Gegenseitig hilft man sich aus mit regenfester Kleidung, worüber gerade der Reiseleiter bis heute dankbar ist. Es nützt aber alles nix. Die Hosen werden triefnass. Und wie ein langgezogener Wurm windet sich die Gruppe hintereinander marschierend den Hügel zur Brennerei hinauf. Nur gut, dass die junge Crew vom erst Ende April eröffneten Scapa Besucherzentrum ein Einsehen mit uns hat und uns erst einmal einen wärmenden Dram spendiert. Dann teilen wir uns in drei Grüppchen auf. Scapa hat über viele Jahre seinen Malt Whisky, der vornehmlich in Blended Scotch Whiskys ging (u.a. Ballantines) und immer nur mit einer einzigen Originalabfüllung am Markt war, hinter verschlossenen Türen produziert – mit gerade einmal drei Mitarbeitern, so dass in Spitzenzeiten manchmal die Kollegen von Highland Park mit Hand anlegten. Noch ist hier so längst nicht alles auf große Besuche eingerichtet. Deswegen auch die kleinteilige Führung…

 

Das Scapa Novum: Die Lomond Still

Der Gruppe macht das alles nichts aus. Die Stimmung ist weiterhin blendend. Und spätestens im Still House, wo wir wieder ein Novum zu sehen bekommen, nämlich eine Lomond Still, die das ursprüngliche Pot Still Brennverfahren mit dem einer Kolonnendestille in einer Brennblase vereint, trocknen die nassen Klamotten in Windeseile. Es muss eben viel nachgefragt werden, was en passant aufwärmende Zeit mit sich bringt, um die all die technischen Besonderheiten dieses Einzelstückes im Detail klar zu bekommen. Ganz nebenbei eröffnet das riesige Fenster im Still House einen wunderbaren Blick auf die Bucht von Scapa. Die zwei Brennblasen von Scapa verfügen über eine fantastische Aussicht, denke ich heimlich für mich. Beneidenswert. Eine andere Eigenheit wird uns unmittelbar im Warehouse vor Augen geführt. Man verwendet ausschließlich „first fill“ Bourbon Casks, die hier nicht traditionell im „Dunnage“, sondern in einem modernen „Rack“ Warehouse reifen. Die einmalige Verwendung der Fässer ist echter Luxus, fast wie bei den Amerikanern. Und noch eines sei erwähnt: Mit dem Gründungsdatum 1885 sind wir bei der jüngsten Brennerei unserer Tour angelangt, die ihren Ursprung hat im ersten großen Boom des Blended Scotch Whisky im 19. Jahrhundert. Wir „tasten“ nochmals zum Schluss der Tour den Scapa 16 Years old und shoppen selbstredend. Aber vor uns liegt immer noch ein strammes Tagesprogramm.

 

Gut geölt, aber nicht nahe dran

In Kirkwall, so etwas wie die „Hauptstadt“ von den Orkney Islands, serviert uns das bekannte Restaurant „The Shore“ am Fährhafen wieder einmal einen so leckeren Mittagstisch, diesmal mit italienischem Einschlag. Indes regnet es weiter in Strömen. Nach unseren eh schon geänderten Plänen – die Besichtigung des berühmten Steinkreises musste wegen unseres neuen Ankerplatzes aus dem Routenplan gestrichen werden – droht nun die Stadterkundung ebenfalls zu platzen. Die Runde bleibt unverdrossen. Immerhin steht zum Nachmittag ein weiteres Highlight auf dem Programm: die Highland Park Distillery. Darauf freuen sich viele. Und fraglos kriegen wir, obwohl die Brennerei ebenso den Betrieb derzeit heruntergefahren hat, um sich frisch für die nächste Brennperiode zu richten, eine ganze Menge zu sehen und zu erleben: ein lustiger Tourguide, der mit seinem weißen Rauschebart locker als Fabelgestalt beim „Herr der Ringe“ durchginge. Dann die traditionellen Malting Floors, in denen hier immer noch die Orkney Gerste mit dem ganz speziellen Torf des Hobbister Moors gemälzt wird. Dazu die zwei Kilns, wo auch – siehe da! – Kohle lagert, mit der man hier zusammen mit dem Hobbister Torf das Gerstenmalz raucht. Und sicher ein weiteres Erkennungsmerkmal von Highland Park ist die ureigene Fasspolitik, bei der nur Sherryfässer zu Lagerung erlaubt sind, dafür aber aus den zwei unterschiedlichen Arten „European Oak“ und „American Oak“ stammen. Was das für einen erheblichen Unterschied in der Würzigkeit des werdenden Whiskys macht, dürfen wir direkt erschnuppern. Und wir probieren natürlich. Zwei NAS („non age statement“) Whiskys. Es sind der „Highland Park Dark Origin“ und der „Highland Park Leiff Erikson“, die uns gut die Kehle herunter rinnen. Große Debatten, was bei diesem Whiskytypus gern passiert, lösen sie nicht aus. Sie überzeugen. Aber dafür setzt sich ein anderes, rumorendes Gefühl durch, das sich als Frage in mehreren Köpfen dreht: „Na, hielt diese Besichtigung wirklich das, was man sich von ihr versprochen hatte?“ Man konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, schlicht nur ein Teil eines schnellen Durchlaufs in einer fraglos gut geölten Besichtigungsmaschinerie zu sein. „Wenn man denn schon mit einem Fachmagazin vor Ort erscheint und sogar dessen Chefredakteur mit dabei ist, dann hätte man sich eine etwas größere Aufmerksamkeit gut vorstellen können“, so ein vermehrter Tenor in der Gruppe.

 

Intensives „Rebriefing“ und ein Tag der Überfahrt

Man kann sich denken, dass das abendliche „Rebriefing“ mit einigen Diskussionen unter den „versierteren Liebhabern“ einherging, insbesondere bei unseren bekennenden Highland Park Fans. Erstmals machen wir an diesem Abend zudem eine Querverkostung, wo wir nicht nur die Whiskys der beiden besichtigten Brennereien gegeneinander probieren, sondern über dies einen von mir „eingeschmuggelten“ Blended Whisky (Ballantines 17 Jahre). Mich interessierte brennend, ob die Gruppe merklich einen Unterschied feststellt, gerade in dem Kontrast zu den Malt-Proben ohne Altersangabe. Bei einigen setzt es tatsächlich eine Neubewertung frei, so dass der Ballantines vereinzelt als persönlicher Favorit genannt wird. Anderseits, und davor hatte ich meinen Hut zu zücken, äußern viele sofort, dass es sich bei der verdeckten Probe um einen Blended Whisky handeln könne. Markus S. gibt sogar, wenngleich nur leise vor sich hin murmelnd, den richtigen Tipp ab: „Das könnte ein Ballantines sein.“ Chapeau!

 

Es folgte dann ein Tag der Überfahrt. 113 Seemeilen von Scapa bis zurück nach Invergordon erlaubten keinen weiteren Zwischenstopp. Wir mussten zügig Meter machen, besser gesagt Meilen, und dazu verhalf uns ein guter Schiebewind von hinten. Ist denn so ein kompletter Tag auf See ohne Halt und Ausstieg nicht langwierig und zäh, mag sich nun mancher, der nicht dabei war, fragen. Auch mich umtrieb diese Sorge als Reiseleiter. Ich hatte mich so mit einigen Programmideen gerüstet. Aber Pustekuchen! Diese trudelnde Zeit verflog schneller als gedacht. Man genoss sichtlich diese Stunden ohne Termine, von der Sonne wieder freundlich beschienen, und ließ die Seele, wo immer man sich gerade aufhielt, einfach baumeln. Das längst beträchtlich angewachsene Reservoir an Whiskys im Gepäck tat dazu sein Übriges. Ebenso der Zapfhahn im Salon. Und selbstredend Jelle und Geeske mit ihren Köstlichkeiten aus der Küche. Und, nicht zu verschweigen, ein kleine Schule der Aromen mit dem Thema: „Wie verkoste und beschreibe ich Whiskys?“ Nein, auch diesen Tag von der Art „Lost in Trance“ mochte man nicht im Programm missen.

 

Der sechste Tag: Glenmorangie hier, Pikten da

Spät legen wir in Invergordon an. Noch später geht es in die Kojen, um am nächsten Morgen dennoch mit aller Vorfreude in unseren sechsten Tag zu starten. Es wartet Glenmorangie auf uns sowie, wenn es unsere Zeit noch erlaubt, ein Abstecher zu jener Pikenstatue, von der das Ornament stammt, das sich die weltberühmte Brennerei erst vor wenigen Jahren zum Symbol erkor. Die Rede ist vom Signet. Als wir auf dem Parkplatz der Brennerei aussteigen, hören wir Rasenmäher und der Geruch von frisch geschnittenem Gras erfüllt unsere Nasen. Es passiert mir nicht zum ersten Mal. Es scheint symptomatisch für diese weltweit bekannte Malt Whisky Brennerei vor den Toren von Tain, die mit all ihren Gebäuden und Warehouses top gepflegt vor uns wie eine Parkanlage am Dornach Firth liegt. Das Wasser in der Bucht steht niedrig. Dank der Ebbe könnte man weit hineinwaten. Aber uns interessiert natürlich viel mehr das Geschehen in der Brennerei, wo dereinst die „16 Man of Tain“ arbeiteten. Später werden wir noch an einer ganzen Ahnengalerie von ihnen entlang defilieren, obwohl sich mehr und mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass hier längst für die Besucherströme mehr Menschen tätig sind als in der Brennerei selbst.

 

Wir bekommen eine sehr anregende Führung. Würde man Noten dafür vergeben, ginge die Tendenz zu „sehr gut“. Das ist hoch professionell gemacht, und man versteht es ausgezeichnet die Besonderheiten der Brennerei genau auf den Punkt der knapp einstündigen Tour zu bringen. Auf unseren Wunsch dürfen wir im Warehouse sogar einzelne Fässer öffnen, um Proben mit der „Valinch“ zu ziehen. Bis zur standardmäßigen Reife von zehn Jahren wandert der Malt Whisky von Glenmorangie ausschließlich in First und Second Fill Bourbon Casks. Erst danach beginnt die hohe Kreativität der Brennerei um das Team von Dr. Bill Lumsden. Die Brennerei streitet sich mit Balvenie darum, wer zuerst das Wood Finish mit Sherry-, Port- und Madeira-Fässern einführte. Aber längst experimentiert man ebenfalls mit neuen Gerstensorten wie etwa beim aktuellen Glenmorangie Tusail, verwendet gar Virgin Oak und legte schon vor Jahren mit dem Glenmorangie Signet einen Traumtropfen vor, bei dem schokoladendunkel geröstetes Gerstenmalz mit in die „Mashbill“ gelangte. Ja, selbst geringe Chargen eines gerauchten Malzes werden hier einmal im Jahr destilliert. Und natürlich bestaunen wir die „längsten Hälse“, die die schottische Whiskyindustrie oberhalb der zwiebelförmigen Bäuche ihrer Pot Stills kennt. Sauber in Reih und Glied sind sie zu je fünf links und rechts im Still House angeordnet. Das muss mit einem Gruppenfoto dokumentiert werden. Wir sind wieder einmal beglückt von einer Tour, die nichts vermissen lässt, tasten noch kräftig im Visitor Centre die zudem bereit gestellten Proben und verlassen dann die heiligen Hallen mit gut gefüllten Tüten.

 

Unser Abstecher nach Cadboll kann also noch gemacht werden, wo nicht nur das eindrucksvolle Gästehaus von Glenmorangie steht, sondern unterhalb davon jene berühmte Piktenstatue, die in jahrelanger Arbeit vom Künstler Billy Grove rekonstruiert wurde. Unlängst hatte ich die Gelegenheit ihn kennenzulernen, wo mir der Steinbildhauer viele wunderbare Details erklärte in der Beschäftigung mit den Symbolen einer Kultur, die einmal prägend für die Schotten war, die aber kein einziges schriftliches Zeugnis hinterließ. Diese Eindrücke, die auch davon lebten, dass der Künstler viele neue Interpretationshilfen dieser untergegangenen Kultur liefern konnte, weil er die oft unvollständigen Elemente nicht wissenschaftlich, sondern allein durch nach Formen und Bildsprache betrachtete, wollte ich den Teilnehmern unbedingt vermitteln. Zugegeben: Ich war unsicher, ob dieser whiskyfreie Exkurs auf Gegenliebe stieß. Der Tenor danach fällt aber beruhigend aus: „Davon dürfte es ruhig noch mehr geben auf der Studienreise“. Ok! Wir haben’s vernommen und notiert…

 

Das letzte Rebriefing & die „Examination“

Von Invergordon brechen wir danach zu unserer bereits letzten Überfahrt auf. Es geht zurück nach Buckie. Hier wird auch das tatsächlich schon letzte „Rebriefing“ geben, denn morgen ist zum Abschied ein großes Kapitänsdinner angesetzt. Außerdem spüre ich die wachsende Nervosität bei den Teilnehmern, da sie wissen, dass heute Abend noch die „Examination“ auf sie zukommt. Sie ahnen nicht, dass ich das Ganze nur zum Spaß mache als kleines „Repetitorium“. Immer gut, wenn etwas hängenbleibt, indem man es noch einmal wiederholt. Die Punkte zu den Fragen werden großzügig vergeben – trotz Wettbewerb um den Sieg. Natürlich setzen sich am Ende dabei unsere allseits bekannten Cracks der Reise durch. Auch diese vorletzte Nacht endet so saumseli,g und die meisten summen dabei immer noch „at the bonnie, bonnie Banks of Loch Lomond“, dass uns „Dani“ Z. mit seiner kräftigen wie tadellosen Stimme seit zwei Tagen als Vorsänger unvergesslich einimpft…

 

Das große Finale am Freitag. Glen Moray

Dieser letzte Freitag hat es dann in sich. Erst besuchen wir Glen Moray, dann essen wir in Elgin, machen dort eine einstündige Stippvisite bei Gordon & MacPhail und haben schlussendlich die Besichtigung von Benromach auf dem Zettel, ganz zu schweigen vom Abschiedsabend mit festlichem Dinner. Verlassen haben wir die nördlichen Highlands. Wir touren den ganzen Tag durch den küstennahen Zipfelchen der Speyside. Und die kurzfristig ersatzweise ins Programm genommene Brennerei Glen Moray – ursprünglich war Glenrothes und ein Tasting mit Ronnie Cox geplant – erweist sich dabei als eine echte Überraschung und wunderbare Entdeckung. Wir werden zwar von zwei noch sehr jungen Frauen geführt, die eine davon Französin, schließlich gehört die Brennerei seit einigen Jahren zum Unternehmen „La Martiniquaise“, die uns zum Teil sprichwörtlich „bei Adam und Eva beginnend“ den Malt Whisky erklären wollen, aber sie erlauben uns dafür, direkt mit den anwesenden Mashman (Bill) und Stillman (George) zu sprechen. Näher dran kann man kaum an die täglichen Vorgänge herankommen. Deren Schilderungen sind ungemein spannend und auf Nachfragen packen sie eine Anekdote nach der anderen aus – bis hin zu ungeahnten Episoden vom Hochwasser, das die Brennerei vor einigen Jahren für Monate komplett stilllegte. Doch was zeichnet die Brennerei aus? Nun, lange stand sie im großen Schatten ihrer früheren „Schwester“ Glenmorangie (Besitzer: Macdonald & Miur), entstand 1897 aus einer Brauerei und lebt bis heute von diesen Einflüssen, da die Gegend reich an guter Gerste ist. Weder hebt sie sich durch eine ureigene Fasspolitik von anderen ab noch durch sonstige Experimente. Dafür aber überzeugen uns die Malt Whiskys komplett, allen voran die 16 Jahre alte Abfüllung.

 

Shoppingtour in Elgin: Gordon & MacPhail

Mit dem Bus geht es nach Elgin hinein. In einem Pub essen wir ausgesprochen traditionelle schnelle schottische Küche, die allerdings etwas auf sich warten lässt, was leider unsere Zeit bei Gordon & MacPhail begrenzt. Der berühmte unabhängige Abfüller startete hier in Elgin Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Feinkostladen, der alsbald für seine ausgezeichnete Auswahl an selbst abgefüllten Whiskys bekannt wurde. In vierter Generation wird dieses Unternehmen nun von den Urquarts geführt, die sich unlängst den Traum einer eigenen Brennerei erfüllten und somit die von Kennern geschätzte Sherrywhiskyadresse Benromach aus ihrem Dornröschenschlaf erweckten – unser abschließendes Ziel für heute. In der Whisky-Abteilung des Geschäfts gehen so manchem unserer Teilnehmer die Augen über. Bald jede Brennerei Schottlands ist hier auf wenigen Quadratmetern üppig und mit zum Teil sehr alten Abfüllungen vertreten. Wir stöbern. Und wir probieren. Und wir staunen über den einen oder anderen Preis für eine Flasche, der leider das Monatsgehalt der meisten von uns übersteigt. Es wartet ja aber noch Benromach auf uns und dafür wird es Zeit in den Bus steigen…

 

Der krönende Abschluss: Benromach

Allmählich ist eine gewisse Sättigung allseits spürbar. Und das schwüle Festlandwetter macht uns müde und matt nach der tagelangen frischen Brise auf dem Meer. Ob so unserer letzten Adresse auf der Segeltour 2015 es noch einmal gelingt, dass sich unsere Ohren und Sinne aufstellen? Ich nehme es vorweg. Ja, sie tut es. Sie tut es sogar eindrücklich. Denn als hätten wir uns eine große Delikatesse noch einmal zum Schluss aufgehoben, dürfen wir hier an einer Reanimation einer Brennerei teilhaben, die sich noch ganz und gar an traditionelle Verfahren orientiert. Ihr Whisky, so sagt uns Junior David Urquart, will an jenen Stil eines ehrlichen Malt Whiskys erinnern, so wie man ihn vor vielen erzeugte und er ergo schmeckte. Allein für die Reinstallation der Ausstattung ließen sich die Urquarts fünf Jahre Zeit. Jedes einzelne Teil ist nahezu handverlesen. Denn der Vorbesitzer hatte die Brennerei, wir verschweigen höflich dessen Namen, von innen komplett „entkernt“ und außer der Architektur von Charles Doig nichts übrig gelassen. Schon diese Leistung nötigt uns Respekt ab. Doch es sind genauso die Prozesse der Whiskyherstellung, die hier noch mit viel Zeit (96 Stunden für die Fermentation) und ohne jegliche Computersteuerung per Hand vorgenommen werden. Die Temperatur der Brennblase wird ebenso gefühlt reguliert, so wie der New Make noch händisch am Spirit Safe getrennt wird. Nur das Fasslager, die jetzige No. 4, ist frisch gebaut und erst vor wenigen Tagen „bezogen“ worden. Geradezu verloren liegen dort in der großen Halle die ersten frisch befüllten Fässer, was uns aber die Gelegenheit gibt, die Grundarchitektur eines „Dunnage“ Warehouses zu studieren. Diese eindrucksvolle Tour schließt David Urquart mit uns mit einem persönlichen Tasting ab. Ihm ist wichtig, uns die Philosophie seiner Familie auch an aktuellen Abfüllungen von den beiden 10 und 15 Jahren alten Abfüllungen ihres sherryfassgeprägten Malt Whiskys zu verdeutlichen. Sie wollen eben nicht nur gefällig sein. Sie fordern durch ihre erdige, trockene Würzigkeit, erweisen sich aber dabei als komplex und verdichtet. Wir können ihm nur zustimmen und genießen derweil verzückt den 30-jährigen Benromach, den er uns – aus früheren Beständen vor der Zeit der Urquarts abgefüllt – ebenso zu verkosten gibt. Nein, wir kriegen hier wirklich etwas geboten und erhalten sogar noch eine kleine Mitgift in Form eines persönlich gefüllten Täschchens für jeden. Das setzt noch einmal ein Ausrufezeichen.

 

Abgesang & Farewell

Insofern kann man sich die Gespräche im Bus denken: „Das war jetzt der allerbeste Termin, oder?“ Es geht hin und her. Die Entscheidung fällt schwer, weil plötzlich ein ganzer Sturm von Erinnerungen einsetzt. Ja, die Tage waren angefüllt mit überreichen Eindrücken. Und ohne Frage hatte jede Brennerei ihre Spuren in unserem Gedächtnis hinterlassen. Wer wollte da final über besser oder schlechter urteilen. Außerdem hieß es sich zu sputen. Der Morgen ließ wenig Zeit zum Packen, das Schiff musste um 11 Uhr von uns geräumt sein, und Jelle sowie Kapitän Maarten hatten auf 20 Uhr zum Dinner geladen. Bis dahin wollte man gerichtet sein. Es wird ein durch und durch ausgelassener Abend. Applausstürme brechen über jeden herein, der noch einmal vor die Gruppe zitiert wird, um ihm Dank für dieses oder jenes zu spenden. Christian H. Rosenberg ist inzwischen ebenso mit von der Partie, der unsere zweite Tour direkt im Anschluss leitet. Auch er wird stürmisch begrüßt als Dank dafür, dass er diese Segelreisen ins Programm des Verlags aufgenommen hat. Jelle kriegt von uns indes drei große Sterne ans Revers seiner Kochjacke geheftet. Es wird eine lange Nacht voller Bekenntnisse von Sympathie und Respekt. Und, wer dabei war, erahnt, was es bedeutete: „Dirkules“ schafft es sogar, dass er die pinkfarbene Angel unserer resoluten Steuerfrau Nathalie ungestraft in das nächtliche Hafenbecken von Buckie halten darf, während Dani Z. noch einige Male mit uns allen Loch Lomond anstimmt.

 

Jeder von uns nahm danach am nächsten Tag wieder seine ganz eigene Route. Wer davon nun die „high road“ und wer die „low road“ wählte, wie im Lied besungen, wer vermochte das in jenem Moment zu sagen. Aber wie war das noch mit den Abschieden? Ja, sie sind fixer Bestandteil des Lebens, allen voran, wenn es unter Segeln fährt. Das Farewell fiel so wohl den meisten nicht ganz leicht an diesem Abend und am nächsten Morgen. Doch was soll’s! Gern wieder im nächsten Jahr…

 

Adressen

Dalmore

Alness, Ross-shire

IV17 OUT

 

Old Pulteney

Huddart Street

Wick, Kaithness

KW1 5BA

 

Scapa

St. Ola

Kirkwall, Orkney

KW15 1SE

 

Highland Park

Holm Road

Kirkwall, Orkney

KW15 1SU

 

Glenmorangie

Tain, Ross-shire

IV19 1PZ

 

Glen Moray

Bruceland Road

Elgin, Morayshire

IV30 1YE

 

Gordon & MacPhail

58-60 South Street

Elgin, Morayshire

IV30 1JY

 

Benromach

Invererne Road

Forres, Morayshire

IV36 3EB

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