Studienreise 2019

27 Mann und eine Buddel voll Whisky …

Ende Juni 2011 ging die niederländische Barkentine Thalassa zum ersten Mal auf eine Whiskystudienreise. Seitdem sind diese Fahrten zu einer regelmäßigen Einrichtung geworden, und das Schiff besucht seitdem in Kooperation mit dem „Whisky-Botschafter“ und der „Whisky Time“ Schottlands Brennereien.

 

Von Bernhard Schäfer

 

Invergordon Samstagmittag: schottisches Wetter, es nieselt. Ein paar suchend dreinblickende Menschen mit Koffern oder Taschen sind an dem Anlegesteg von Invergordon an der Cromarty Firth. Doch dort, wo die dreimastige Barkentine Thalassa sein sollte, schwimmt ein Kreuzfahrtschiff im Wasser, ein großes, ein sehr großes, kein Platz für ein „kleines“ Segelschiff aus den Niederlanden. In gut 2 Kilometern Entfernung ist aber die Silhouette des Seglers auszumachen, der für die folgende Woche für 27 Gäste Heimstatt sein wird.

 

Alle an Bord

Nach dem Beziehen der Kabinen und einer ersten Erkundung des Schiffs machten wir erstmal eine Kennenlernrunde, natürlich mit einem Begrüßungsdram. Dabei stellte sich dann schnell heraus, dass in der Truppe eine Reihe Wiederholungstäter waren, die schon ein- oder zweimal mit der Thalassa mitgefahren sind, allerdings auf einer anderen Reiseroute. Am ersten Tag und Abend lagen wir in Invergordon, ein verschlafenes Kaff mit wenigen Pubs. Die einzige Qual bei einer Whiskystudienreise ist, eine Brennerei vor Ort haben, aber nicht hinein zu dürfen. In Invergordon ist die gleichnamige Grain Destillerie, aber eben off limits für Besucher.

 

Sonntag: statt Kirche Brennerei

Am Sonntag ging es nach dem ausgezeichneten Frühstück zum ersten Studienobjekt. Glenmorangie, dort ist auch am Sonntag geöffnet. Zunächst bekommt der Besucher einen Film zu sehen und dann gibt es eine Führung, was mir gut gefallen hat; die Führung ist zwar auf Englisch, aber in diversen Sprachen hat Glenmorangie eine kleine Broschüre, die alles nochmals beschreibt.

 

Wie immer bei meinen Besuchen, Glenmorangie ist ein Kleinod, und man gibt sich besondere Mühe. Zum Abschluss der Führung bekamen wir ein besonderes Tasting in einem der Warehäuser. Als Zugabe gab es einen vierten Whisky, den Allta, jenes Experiment, bei dem die Maische mit einer wilden Hefe vergoren wird, die auf der Gerste von Glenmorangie lebt. Nach den vier Whiskies war noch nicht bei jedem die Wissbegierde gestillt. Man kann hier getrost unserer Führerin die Schuld in die Schuhe schieben, denn als wir im Lagerhaus verkostet haben, hat sie auch immer wieder von anderen Sorten gesprochen. Neben dem Shop gibt es eine kleine Bar, und außer der Reihe gab es dann noch die eine oder andere Variante.

 

Nicht allzu weit von Glenmorangie entfernt liegt der pittoreske Ort Dornoch, der hat nicht nur einen der schönsten Golfplätze des Landes, sondern auch eine der spannendsten Whiskybars. Unvorsichtigerweise hatte ich davon erzählt ... Wir konnten unseren Busfahrer bestechen, so sind wir nicht direkt zum Schiff zurück, sondern noch auf einen Abstecher in die Bar von Dornoch Castle. Die Bar ist einen Umweg wert, denn hier gibt es eine Menge älterer Abfüllungen, nicht im Sinne von 40 Jahre altem Whisky, sondern Ware die in den 70er und 80er Jahren normal im Handel war. Eine Zeitreise der besonderen Art.

 

Zurück auf unserem Schiff, ging es nach dem späten Lunch gleich los. Zum ersten Mal ging es hinaus aufs Meer. Orkney war das erste Ziel, gegen Mitternacht wollten wir in der Bucht von Scapa sein. Wind ging kein besonderer, aber die Thalassa hat ja auch Motoren. Wir waren vielleicht eine halbe Stunde unterwegs, einige machten nochmal eine Qualitätskontrolle vom mitgebrachten Glenmorangie, da war plötzlich Geschrei an Deck. Links von uns kamen plötzlich Delfine aus dem Wasser, einzeln oder in Gruppen, nicht wenige, eine ganze Schule. Die schwammen eine Zeit neben uns her, oder wir fuhren neben ihnen, so genau kann man sich da nicht festlegen, beeindruckend war es auf jeden Fall.

 

Da immer noch kein Wind aufkam, ging es mit knapp 10 Knoten Richtung Orkney, immerhin war so die Reise relativ ruhig. Es ging eine beeindruckende Küstenlandschaft entlang in den Norden, und als wir in der Nacht dort ankamen, war es über der Bucht immer noch vergleichsweise hell, und Scapa hatte, sicher nur unseretwegen, die beschriftete Lagerhauswand hell erleuchtet, so dass man auf Entfernung, sah: Hier sind wir richtig. Die historische Bucht von Scapa Flow war der Endpunkt der Hochseeflotte des Kaiserreichs, die sich ziemlich genau 100 Jahre, bevor wird dort ankerten, selbst versenkt hat. Heute kann man noch nach den Wracks tauchen.

 

Landgang Orkney

Frisch gestärkt vom Frühstück, traten wir am Montagmorgen dann einen kleinen Fußmarsch an; vom Steg zur gut sichtbaren Brennerei dauerte es gut 20 Minuten. Bei Scapa hatte man schon auf uns gewartet. Wenn man um dieses Zeit im Jahr in Schottland ist, sind zwei Dinge zu bemerken: Erstens hat es oft schönes Wetter, und viele Brennereien renovieren oder machen um diese Zeit sonstige Wartungsarbeiten, so auch Scapa. Eine Führung gab es dennoch, wie oft bei so einer großen Zahl Besucher, gab es zwei Gruppen. In einem der Racked Warehouses lag wie unabsichtlich vergessen ein Ex-Bourbonfass im ehemaligen Büro vom Lagerhausmanager, dort gab es zu Begrüßung gleich eine Fassprobe. Nach der Führung wurde ein kleines Tasting angeboten, es gab noch den Scapa Skiren, den man auch bei uns kaufen kann und den Scapa Glansa. Dieser Whisky reift zusätzlich zwischen sechs Monaten und einem Jahr in „peated“ Casks, also solche, die zuvor einen sehr rauchigen Whisky in sich trugen. Leider gibt es den nicht so einfach zu kaufen. Ein Besuch in den Destillerien von Pernod Richard lohnt sich immer, denn im Shop werden Whiskies in speziellen Fassstärken oder Single Casks verkauft, nicht nur von der jeweiligen Brennerei, sondern auch von den anderen der Firma. Diese Flaschen gibt es nicht immer und im normalen Handel schon gar nicht. Diese Gelegenheit hat auch der ein oder andere unserer Gruppe (genutzt.

 

Orkney hat bekanntlich zwei aktive Destillerien, Highland Park ist die zweite, eigentlich die erste, denn sie gehört zu den ältesten Schottlands. Highland Park ist gar nicht so weit von Scapa entfernt, eigentlich könnte man laufen. Aber es war Regenwetter und ein Bus war bestellt. Der fuhr uns dann in das Restaurant neben der Destillerie, und da wir etwas zu früh dran waren, gönnte man sich vereinzelt ein Aperitif-Bier. Zum leichten Lunch wurden wir dann von unserem Guide im Restaurant begrüßt, gesättigt und gestärkt liefen wir zur Destillerie. Dort gab es dann die Highland Park „Magnus Eunson“ Tour, benannt nach dem legendären Gründer der Brennerei. Neben der ausführlichen Besichtigung kommt man in den Genuss eines umfangreichen Tastings mit sieben Whiskies, der älteste war dann doch 30 Jahre alt. Und nur nach dieser Tour darf man, so man will, die „Distillery only“-Abfüllung kaufen, bekommt ein Buch zur Geschichte der Brennerei und ein Tastingglas geschenkt.

 

Zurück am Schiff, wurde der Anker gelichtet und wir schipperten für den Abend quasi ums Eck nach Stromness. Ein schöner Ort mit kleinen Geschäften, die sich auf Touristen eingerichtet haben. Am Abend ging es für manche in einen der lokalen Pubs. Zum Glück sind die Einheimischen tolerant und haben unsere dilettantische Leistung am Dartboard eher ignoriert und freundlicherweise nicht kommentiert …

 

Ausflug in die Jungsteinzeit

Der nächste Tag war bis zur Abreise nach Scrabster zur freien Verfügung vorgesehen. Ein selbst organisierter Busausflug von den Standing Stones of Stennes über den Ring of Brodgar nach Skara Brae, alle Teil des Weltkulturerbes „The Heart of Neolithic Orkney“, deckte ein bisschen die Vorgeschichte der Insel ab.

 

Gegen Nachmittag hatte uns die See wieder im Griff, auf Richtung Mainland, dabei durchquerte die Thalassa einen ergiebigen Schwarm Makrelen. Da diese nicht von allein an Bord wollten, wurde geangelt. Zwei der Schiffsbesatzung und drei der Studienreisenden eiferten dabei um die Wette. Neben den knapp 30 Makrelen gingen Dorsche und Schellfische an den Haken. Zum Glück hat die Thalassa einen kleinen Räucherofen an Bord, der lief dann die ganze Zeit, und für uns gab es selbstgeangelten Fisch zum Abendessen.

 

Zurück im Mainland

Am Abend lagen wir dann in Scrabster am Kai, ein Pub in der Nähe der Anlegestelle machte für einen Dienstag sicher nur durch uns einen besonders guten Umsatz. Der nächste Morgen begrüßte uns wieder mit ausgiebigem Regen. Dieser Tag war ein wenig durch Eile geprägt, denn Kapitän Jacob bestand darauf, den Ort um 14 Uhr zu verlassen, sonst würden wir nicht mehr in den Hafen von Wick einlaufen können, der nächsten Station.

 

Also ging es diszipliniert und flotten Schrittes durch die Landschaft Richtung Wolfburn. Wer eine romantisch gelegene Brennerei erwartete, der wurde enttäuscht. Wolfburn ist neu, und die Gebäude sind eher große Wellblechhütten in einer Art kleinem Industriegebiet. Dafür machen die Leute bei Wolfburn, besonders, wenn man die Jugend der Destillate bedenkt, ausgezeichneten Whisky. Ich bin mir sicher, in einigen Jahren gibt es da wahre Perlen. Dieser Meinung ist auch Prince Charles, der war eine Woche nach uns dort, um sich ein Fass abfüllen zu lassen. Fünf Whiskies gab es zu verkosten, rauchig und nicht rauchig. Die Brennblasen konnten wir leider nicht aus der Nähe ansehen, denn auch hier wurde ein bisschen umgebaut und renoviert. Zum Beispiel wurden die kupfernen Brennblasen poliert und lackiert, und einen Shop baut man auch gerade, aber im improvisierten Shop wurden bereits Andenken und Whisky verkauft.

 

Nach der Brennerei hatten wir Hunger, Mittagessen gab es noch schnell an Land, und dann ab auf das Schiff. So wurde Wick mit einer Punktlandung erreicht. Abstecher nach Wick

 

Der Ort hat mehrere Pubs zu bieten, auch Whiskygeschäfte und eine Whiskybar. Nach dem Essen ging es von Bord und der Ort wurde erkundet. Für den nächsten Tag stand dann der Besuch der Brennerei am Ort an, Old Pulteney. Eine oftmals unterschätzte Brennerei, in der man sich immer besondere Mühe mit den Besuchern gibt. So auch bei uns. Unser Guide Susanne hatte in ihrer Jugend Deutsch gelernt und extra für uns ein paar Wochen vorher wieder zu üben begonnen und sich auch alles auf Deutsch notiert, was sie uns erzählen wollte. Old Pulteney war ebenfalls silent, sogar der Spirit Safe war in seine Einzelteile zerlegt, dafür durften wir dann aber überall Fotos machen.

 

Im Warehouse bekamen wir dann ein Tasting, um die Fässer stehend, mit vier Sorten Pulteney. Wir bekamen für die Gruppe für den Genuss an Bord in jeder Destillerie drei Flaschen mit auf den Weg. Bei Pulteney war man besonders großzügig, denn hier war auch eine Flasche vom „Distillery Only“ mit im Paket. Nach einem Lunch am Ort ging es am Nachmittag wieder auf die Thalassa, um zurück nach Invergordon zu reisen.

 

Ship in full sail, fast

An diesem Donnerstag meinte es der Wettergott gut mit uns. Kurz nach dem Auslaufen aus dem Hafen kam schon die Mannschaft auf uns zu: „Wer hat denn nun Lust mitzuhelfen?“. Denn es kam ein ordentlicher Wind auf, und zum ersten Mal wurden die Segel gesetzt. Drei Masten hat die Thalassa, die sind bis zu 35 Meter hoch und haben Platz für so einige Segel. Als schließlich zwei der drei Masten unter vollen Segeln waren, ging es zügig voran.

 

Was für ein Gefühl, der Motor war aus, und man hörte nur noch den Wind. Das ist schon was anderes als gemütlich mit Dieselkraft durchs Meer zu schippern. Das Schiff pflügte durch die Wellen und lag dadurch auch nicht mehr gerade im Wasser sondern einige Grade seitlich und wurde immer wieder etwas hin und her geworfen. Wer da nicht aufpasste und übers Deck ging, konnte sich schnell mal einen blauen Flecken einhandeln. Aber einmal so die Kraft der Natur zu spüren, ist doch ein sehr beeindruckendes Erlebnis. Am frühen Abend waren wir dann wieder an unserem Ausgangspunkt Invergordon, also fast …

 

Invergordon Version zwei

Schottland hat, so meine ich, ein Problem. Es gibt immer mehr Kreuzfahrtschiffe, die hier die Gewässer befahren. Invergordon hat im Jahr gut 90 Kreuzfahrtschiffe, die dort Halt machen. Für unsere kleine Thalassa wird der Platz dann eng, und der Hafenmeister verweigerte uns das Anlegen an einem Steg. Also ankerten wir in der Cromarty Firth im „freien Wasser“, ein Landgang am letzten Abend war dann nicht mehr drin. Aber an Bord ist es ja auch schön.

 

Einen Tag mit Brennereibesuchen stand uns noch bevor. Da wir ja draußen ankerten, ging es mit dem Schlauchboot an Land, ein kleines Abenteuer für sich. An Land wartete ein Bus, der uns in die nahegelegene Dalmore Brennerei fuhr. The Dalmore ist eine jener Brennereien, wo dem Besucher allein wegen der Lage schon das Herz aufgeht, sie liegt ebenfalls an der Cromarty Firth, und der Ausblick dort ist atemberaubend.

 

Bei unserem Besuch war gerade kein Betrieb, weil auch hier gerade alles auf Vordermann gebracht wird, daher waren wir relativ allein unterwegs. Bekannt ist Dalmore nicht nur wegen ihres Masterblenders, Richard Paterson, eine Ikone in der Whiskyindustrie, sondern auch wegen der ungewöhnlichen Brennblasen, dieses haben eine Wasserkühlung an den Brennblasen. Die Potstills sind eher gedrungen, aber durch die Wasserkühlung wird der Newmake eher so wie bei ganz hohen Brennblasen. Derzeit wird auch das Besucherzentrum renoviert und so „mussten“ wir zum ausführlichen Tasting in das Kingcraig Castle Hotel. Das Vier Sterne-Hotel ist eine wahre Perle der Gastlichkeit in den Highlands. Eine Perle war auch unsere Gastgeberin Shauna Jennens, eine der Global Brand Ambassadore für The Dalmore. Sie hatte nicht nur fünf Sorten The Dalmore für uns vorbereitet, sondern ebenfalls ein Glas New Make, etwas, das es eher selten gibt. Nach dem Tasting wurden wir im Hotel noch mit einem sehr feinen Essen verwöhnt.

 

Aber nach dem Tasting ist vor dem Tasting, denn zum Abschluss stand noch eine letzte Brennerei auf unserer Besuchsliste, Balblair in Edderton. Im Vorfeld gab es direkten Kontakt zum Manager, John MacDonald, er war zwar selbst im Urlaub, hatte aber veranlasst, dass wir etwas Besonderes bekommen sollten. In den ehemaligen Malting Floors hat man bei Balblair seit ein paar Jahren einen Shop und eine Bar und einen Multimediaraum eingerichtet. Es ist nicht so völlig durchgestylt wie in manch anderer Destillerie, sondern hat noch ein bisschen den Charme früherer Jahre bewahrt. Balblair selbst ist ja eine eher Brennerei. Geschickt wird aber darauf hingewiesen, dass einige Szenen des Films „Angel’s share“ damals hier gedreht wurden. Nach unserer Führung gab es wieder ein schönes Tasting, das läuft bei Balblair ganz unprätentiös ab, in einem Eck des Raumes steht eine kleine Bar und darauf der Whisky. Dank der guten Beziehungen zu John bekamen wir neben dem 12er und dem 15er noch die „Distillery only“-Abfüllung und einen weiteren, den es nur vor Ort gibt, ein Whisky, der speziell zum ersten Highland Whisky Festival kreiert wurde. Auch bei Balblair steht ein Fass, von dem sich die Besucher ihre eigene Flasche abfüllen können, wie auch bei Old Pulteney. Diese Gelegenheit packte so mancher beim Schopf. Dann sollte es zum letzten Mal auf dieser Reise an Bord gehen. Am letzten Abend wurde noch einmal gezeigt, was die Küche so leisten kann. Dieses Mal half auch Jelle Dam, der Sohn vom Kapitän mit, und es wurde noch ein langer Abend an Deck …

 

Nach acht Jahren wieder einmal mit der Thalassa unterwegs zu sein, war ein großes Vergnügen, und es war sicher nicht das letzte Mal, das ich an Bord gehen werde. Im Vergleich zu meiner ersten Tour hat sich an Bord zum Glück nichts groß verändert, der Räucherofen war neu und bereicherte die Speisenauswahl, die Küche war insgesamt besser. Richtig warmes Wasser zum Duschen gab es besonders dann, wenn man Frühaufsteher war. Einzig das Bier auf meiner ersten Reise an Bord war besser. Aber das hatte unser Whiskyclub damals auch selbst mitgebracht …

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