The Balvenie DCS Chapter 4
Exklusiv verkostet
Das „The Balvenie DCS Compendium“ ist seit einigen Jahren in aller Munde. Denn seit 2015 wird alljährlich ein Kapitel dieser besonderen, fünfteiligen Whiskysammlung von The Balvenie präsentiert. Nun wurde kürzlich das vierte Kapitel vorgestellt, dass exklusiv von uns verkostet wurde.
Es gilt bereits jetzt als eine Legende unter den Whiskysammlungen – das „The Balvenie DCS Compendium“. Zusammengestellt wurde das „Lehrbuch“, wie man das Kompendium auch bezeichnen könnte, von David C. Stewart MBE (wodurch sich auch das „DCS“ im Namen erklärt) als Tribut für sein Lebenswerk. Denn Stewart ist fünfter und mit 55 Jahren der am längsten gedienten Malt Master bzw. Master Blender für The Balvenie. Das Ziel Stewarts war es dabei, jeweils besondere Aspekte der Whiskyherstellung der Brennerei in den Fokus zu rücken. Insgesamt besteht die Sammlung aus 25 Abfüllungen, die über 5 Releases veröffentlicht werden. 2015 wurde das erste „Chapter“ vorgestellt („Distillery Style“), 2016 („The Influence of Oak“), 2017 („Secrets of the Stock Model“) und 2018 folgten die weiteren. Ihren Abschluss wird das Kompendium in diesem Jahr mit dem Chapter „Malt Masters Indulgence“ finden.
Kürzlich erschien nun das vierte Kapitel unter dem Titel „Expecting the Unexpected” – was zu Deutsch so viel meint wie „Das Unerwartete erwarten“. Es besteht aus fünf „ungewöhnlichen“ Single Cask Vintage Whiskys, die so nie von The Balvenie regulär veröffentlicht worden wären. Das Alter der Whiskys reicht von 9 bis zu 47 Jahren, der Gesamtpreis der Sammlung – die Whiskys sind allerdings auch einzeln erhältlich – beträgt 29.000 Pfund. Die „unerwartete“ Qualität der Whiskys bezieht sich hierbei auf die eingesetzten Fässer, die über die Reifung hinweg unerwartete Ergebnisse erzielten. Für Stewart war dieses Kapitel ein logischer Schritt. Denn trotz der vielen Jahre, die er die Wissenschaft und Kunst der Whiskyreifung studiert, kommt es immer wieder vor, dass er „angenehm überrascht“ wird von den ungewöhnlichen Entwicklungen, die ein Spirit im Fass und damit die Natur des „Whisky Making“ genommen hat.
Soviel zum Vorlaut. Denn ich sitze nun zusammen mit Flurin Schmid, Martin und Thomas Hermann (je Dettling & Marmot) sowie Gemma Paterson aus Schottland. Sie ist die Nachfolgerin von Sam Simmons, dem ehemaligen Global Brand Ambassador von The Balvenie und das erste Mal in der Schweiz. Doch trotz ihres jungen Alters wirkt sie schon gut bewandert in ihrer Arbeit. Gebürtig ist sie von der Isle of Lewis in den Äußeren Hebriden Schottlands und studierte bis 2011 die russische Sprache in Glasgow. Danach kam sie zu The Balvenie, wo sie dem William Grant & Sons Nosing Panel beitrat, ein „General Certificate in Distillation“ vom Institute of Brewing and Distilling erhielt und nun an ihrem Diplom arbeitet. 2016 zog sie nach New York und arbeitete als Brand Ambassador für den Osten Amerikas. Vor einiger Zeit kam sie zurück nach Schottland und übernahm nun die Aufgabe als Global Brand Ambassador.
Wir beginnen mit dem jüngsten Whisky des Kapitels und tasten uns dem Alter gemäß nach oben. Er ist nur 9 Jahre alt und stammt aus First-Fill American Oak Barrels. Besonders an diesem Whisky ist der Beigeschmack von Rauch, eine der größten Überraschungen für Stewart. Denn normalerweise produziert The Balvenie nur einmal im Jahr im Rahmen der „Peat Week“ torfigen Whisky. Dieser jedoch wurde außerhalb der Woche abgefüllt und bringt dennoch subtile Noten von Rauch mit sich. Stewart glaubt, dass dieser aus dem Holz der Wash Backs oder aus den Rohrleitungen stammt, in denen sich irgendwo noch gerauchter New Make versteckte. Abgefüllt bei 61,1%, kommt er jung (Esther), mit leichtem Rauch in der Nase und etwas heller als ein üblicher The Balvenie ins Glas. Er ist einzeln für 500 Pfund erhältlich.
Der zweite, 18-jährige Whisky kommt aus einem Ex-American Oak Hogshead. Für diesen Whisky wurden Fässer verwendet, deren Daubenenden zusätzlich getoastet wurden, was im normalen Prozess nicht stattfindet. Dafür wurden in der Brennerei extra – jawohl! – zwei Pizzaöfen installiert. Ob hier je eine Pizza gemacht wurde, wissen wir nicht. Aber zumindest wurde einmal eine Ente aus dem Wasserreservoir nebenan auf der Kiln gegrillt, begleitet von Wein in der Spätschicht, wie Gemma erzählt. Der Whisky jedenfalls, abgefüllt bei 46,8%, kommt dunkel und würzig auf den Gaumen und mundet mit volltöniger Kokosnote. Einzeln ist er für 800 Pfund erhältlich.
Der dritte, 26-jährige Whisky wiederum stammt aus einem europäischen Ex-Oloroso Sherry Puncheon. Dieses Puncheons – etwas größer als Sherryfässer – wurden eigens für The Balvenie angefertigt und liegen ganz oben im Racked Warehouse der Brennerei, quasi im Penthouse, wie Gemma betont. Abgefüllt bei 49,8%, bietet dieser Whisky neben dem intensiven Sherry, den tropischen Früchten und der Würze eine ölige Textur mit leichten Ledernoten sowie ungewöhnliche Noten von gerösteten Mandeln – scheint hier nicht auch ein wenig die Tun Range von The Balvenie auf, wie wir vermuten? Ganz klar ist es nicht, aber ein schöner Whisky allemal! Einzeln ist er für 1.200 Pfund erhältlich.
Der vierte, jetzt schon über 30(!) Jahre alte Whisky mit Jahrgang 1982 kommt schließlich aus einem europäischen Ex-Oloroso Sherry Hogshead. Er bringt, abgefüllt bei 51,1%, trotz frischem Charakter auch volltönige Noten von dunkler Schokolade und Nuss hervor. Altersbedingte Ledernoten lassen sich hier jedoch nicht entdecken – schön! Gemma weist darauf hin, dass diese Jahrgangsqualität auch in den The Balvenie Double Wood 12 gegangen sei – zu jener Zeit, als Stewart das Cask Finishing bei The Balvenie entwickelte. Einzeln ist er jedenfalls schon für stolze 4.000 Pfund erhältlich.
Als Highlight reifte der fünfte, nun schon über 40 Jahre alte Whisky mit Jahrgang 1971, schließlich in einem europäischen Ex-Oloroso Sherryfass – genauer gesagt in einem „Butt“ (was schon ein recht großes Fass ist) – und kommt mit einer dermaßen intensiven Üppigkeit und Würzigkeit auf den Gaumen, von welcher Stewart wohl dache, er sei ausschließlich in First Fill Casks gereift worden. Abgefüllt bei 49,8%, überzeugt er jedenfalls intensiv, strukturiert, würzig und mineralisch mit Noten von Pflaumen und getrockneten Früchten. Einzeln ist dieser Prachtwhisky für 21.000 Pfund erhältlich.
Zum Abschluss noch ein persönliches Resümee: Trotz der immer aufscheinenden Basis von The Balvenie (Malz, Honig, tropische Früchte) könnte jeder dieser „unerwarteten“ Whiskys in puncto Nase und Geschmack für sich stehen. Sehr spannend war es so, die jeweiligen Unterschiede herauszubekommen und The Balvenie in so ungewohnten Profilen kennenzulernen. Der erste Whisky kam dabei leicht und rauchig entgegen, der zweite war eine schöne Kokosbombe, der dritte überraschte mit Tiefe und Würze, der vierte war für sein Alter eindrücklich füllig im Sherry, und der fünfte blieb trotz seines hohen Alters erstaunlich jung!
Von diesem schön gestalteten Kapitel aus dem „The Balvenie DCS Compendium“ sind weltweit nur 50 Stück verfügbar, die Schweiz erhielt genau ein Set. Zudem kamen einige wenige Einzelflaschen des Jahrgangs 1999. Wie schon bei den früheren Kapiteln wird auch dieses von dem 111-seitigen Buch „The Balvenie DCS Compendium“ begleitet, das von dem früheren Global Brand Ambassador Sam Simmons geschrieben wurde und viele interessante Details über The Balvenie, David Stewart und das Kompendium enthält. Ich lasse mir mein Exemplar natürlich gleich von der charmanten Gemma signieren!
Übrigens gab es zum Abschluss noch ein weiteres Highlight zu verkosten – einen The Balvenie Fifty: Marriage 0962 veröffentlicht 2018! Dieser selten veröffentlichte The Balvenie wird aus den ältesten Beständen der Brennerei abgefüllt, die mindestens 50 Jahre reiften und von Stewart selbst ausgewählt wurden. Für dieses Release, dessen Name 0962 auf das Eintrittsdatum Stewarts bei William Grant & Sons verweist, kam ein Vatting von je zwei Fässern American Oak mit Jahrgang 1966 sowie 1976 zum Einsatz. Dem Alter geschuldet, kommt er mit milden 41,6% Alkoholvolumen auf den Gaumen. Ledrige Noten begleiten ihn, und es lassen sich Restanklänge tropischer Früchte entdecken, wie man es von The Balvenie kennt – ein Unikat! Diese Abfüllung ist auf 110 Flaschen weltweit limitiert, wovon die Schweiz zwei erhielt.
Patrick Tilke
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