Toronto & Hiram Walker
Von verborgenen Schätzen…
Die eine Adresse, von der hier die Rede sein soll, ist die größte Whiskybrennerei des Landes, die andere, Toronto, derweil die größte Stadt. Und beiden eilt ein legendärer Ruf voraus. Doch vielen unserer Leser sind sie weniger bekannt, ganz zu schweigen davon, dass man sie tatsächlich aus eigener Anschauung kennt. Schade drum, denn sie bergen viele, ganz eigene Schätze in sich, wie Heinfried Tacke findet.
Kanada ist eine klassische Whiskynation. Kein Buch über Whisky, das grundständig informieren will, darf diese Nation, die zu den vier großen des „Uisge beatha“ gehört, einfach aussparen. Umso mehr muss man sich schon wundern, wie geradezu sträflich wenig davon die Rede ist. Oder sollte ich etwa falsch liegen? Noch mehr wunderte es mich aber im Vorfeld der schon länger geplanten Reise, wie selten man zuletzt noch von irgendeinem kanadischen Whisky hörte, der mal mehr in den Fokus geriet oder gar ein größeres Interesse auslöste. War da überhaupt je was? Im Grunde herrscht eine bedenkliche Stille bei uns vom nördlichsten Freund aus Übersee. Oder?
Mysteriöse Funkstille
Mich macht so etwas immer umso neugieriger. Insofern passte mir die Einladung der Hamburger Firma Borco-Marken-Import gut in meine Planungen, im August mit nach Toronto und Windsor zu kommen. Die Reise eröffnete mir die Gelegenheit, die an den Ausläufern des Eriesees und unmittelbar gegenüber von Detroit gelegene Whiskybrennerei Hiram Walker zu besichtigen, die nicht nur die größte des Landes ist, sondern auch zu den wichtigen Pionieren des kanadischen Whisky gehört. Zudem gibt sie längst weiteren namhaften kanadischen Whiskymarken (u.a. Lot 40, Wiser’s, Pike Creek) als Brennerei eine Heimat und beschäftigt mit Dr. Don Livermore überdies einen – wie ich meine – der spannendsten Master Blender, den wir weltweit in Moment kennen. Meine Vorfreude war mithin groß, denn auch Toronto versprach mit der angesetzten Besichtigung der ehemaligen „Gooderham & Worts“ Brennerei noch ein spezielles Highlight. Dass ich den Trip auch nutzen wollte, um anschließend noch weiter in den Norden der USA bis nach Chicago zu reisen, um so die gesamte Region der Great Lakes mit ihren jungen, neuen Whiskybrennereien unter die Lupe zu nehmen, steht auf einem anderen noch zu beschreibenden Blatt, da mich eine Grippe wie andere missliche Geschehnisse leider davon abhielten. Ich verspreche aber hoch und heilig, diesen Teil der Erzählung, der hier ausfallen muss, im nächsten Jahr nachzureichen.
Toronto der Superlative
Ja, Toronto. Die Stadt ist das Einfallstor zu Kanada für uns Europäer und eine Perle als Metropole. Ich ahnte es schon länger. Ein Whisky-Freund hatte dort an der Hochschule der Künste gelehrt. Seine Augen leuchteten stets, wenn er von seiner Zeit vor Ort erzählte. Nur: Eine Stadt mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Füßen zu erkunden, ist schon noch etwas anderes. Und allein das Schlaumachen konnte einen auch abschrecken. 2,6 Mio. Einwohner – das ist doch schon etwas mehr als Inverness, Port Ellen, Elgin, Keith und Pitlochry zusammen. Für die gesamte Metropolregion rund um Toronto spricht man gar von rund 6 Mio. Bewohnern, dessen Zahl sich auf 8,1 Mio. erhöht, wenn man komplett den so genannten „Golden Horseshoe“ einrechnet, der sich um das nordwestliche Ufer des Ontario Sees erstreckt und bis zu den berühmten Niagara Wasserfällen reicht. Das ist knapp ein Viertel der gesamten kanadischen Bevölkerung. Auch ein erster Blick auf Bilder der imposanten Skyline Torontos mit dem spitz aufragenden „CN Tower“ lässt einen jede Menge Beton, Glas und Asphalt vermuten. Und nicht genug der Superlative: Der Highway 401 mit drei parallel verlaufenden Autobahnen ist heute, wie ich dort erfuhr, die meist befahrene Straße der Welt. Das allerdings legt auch die Frage nahe: Was sollte ein romantisch veranlagter und eher der Natur zugeneigter Whiskyliebhaber dann dort zu suchen haben?!
Abstecher: Distillery District
Nun: Man kann ja gern schlauer werden. Denn so schnell wie sich ein so kleiner Flecken wie die erste Siedlung Torontos binnen eines Jahrhunderts sich fast um das Hundertfache vergrößerte, so rasant war mitunter auch der Aufstieg des kanadischen Whiskys. Die ersten Brennereien des Landes, die sich nicht nur mit Genever oder Gin verdingten, sondern sich am guten, alten Whisky versuchten, waren zuvor Mühlen. So auch an jenem Ufer „Torontos“, wo man zu Zeiten der Indianer („First Nations“) zusammentraf, was nichts anders als das Wort „Toronto“ bedeutet in der Sprache der alten Stämme. An diesem „Ort zum Treffen“ entstand so nicht nur die erste Siedlung der britischen Einwanderer, sondern wenig später, namentlich 1832, jene Brennerei von „Gooderham & Worts“, die kaum vier Jahrzehnte später (1877) bereits mit gut 2 Millionen Gallonen produziertem Whisky im Jahr zur größten Whiskybrennerei der Welt aufsteigen sollte – wenigstens für kurze Zeit. Die alten Anlagen der bis 1990 im Betrieb befindlichen Brennerei existieren so noch heute weitestgehend als Mauerwerk und Industriedenkmal: Als junger, wiederbelebter „Distillery District“ haben sich dort viel kleine, schicke Boutiquen sowie Restaurants, Cafés, Bars sowie nicht zuletzt eine junge Gründerszene niedergelassen, allen voran die in Kanada berühmte „Mill Street Brewery“ als Craft Beer Pioniere.
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